Goslar
Mittelalterliche Architektur und Fachwerk

Architekturführer

Am Nordwestrand des Harzes wurde bereits in frühgeschichtlicher Zeit Bergbau betrieben. Somit entstanden in der Region Ansiedlungen von Bergleuten und Handwerkern. Eine dieser Siedlungen, das Bergdorf, befand sich am Fuße des Rammelsberges. Diese im Süden der heutigen Altstadt gelegene Ortschaft besaß bereits eine Pfarrkirche, St. Johannis. Sie ging vermutlich auf die Zeit der Karolinger (9. Jahrhundert) zurück. Bis auf archäologisch nachweisbare Relikte ist dieses Bergdorf seit Jahrhunderten verschwunden.

In den Annalen des Saxo und in den Pöhlder Annalen wird berichtet, dass der erste deutsche König, Heinrich I. (reg. 919-36), den Ort Goslar (vicus Goslariae) im Jahr 922 gründete. Auf die Regierungszeit seines Nachfolgers, Ottos I. (der Große, reg. 936-73), gehen die Anfänge des Silberbergbaus zurück. Der Bergbau blieb über Jahrhunderte das wirtschaftliche Fundament Goslars. Reiche Erzlagerstätten und das Vorkommen von Silber brachten der Stadt große Vorteile und lange Perioden einer erstaunlichen Prosperität. Andererseits führten die Begehrlichkeiten rivalisierender Mächte immer wieder zu Wirren und Kriegsereignissen.

Auch durch den Silberbergbau gewann Goslar an Anziehungskraft für die Herrschenden. Schon Heinrich II. (reg. 1002-24) hatte in Goslar einen Königshof errichten lassen. In einer Urkunde des Kaisers wird Goslar 1005 erstmals erwähnt. Die Könige bzw. Kaiser des damaligen Heiligen Römischen Reiches besaßen keine eigentliche Residenz, sondern zogen kontinuierlich durch die Lande. Ihre Machtausübung erfolgte somit auf ganz unmittelbare Weise. Königshöfe, Pfalzen, Klöster und Bischofssitze dienten zur Unterkunft der Herrscher und ihres Gefolges. In den Pfalzen wurden Hof- und Reichstage abgehalten. Mehrfach erwählten die Kaiser eine Pfalz als bevorzugten Aufenthaltsort. In Goslar befand sich der erste königliche Hof auf dem Georgenberg nördlich der heutigen Altstadt.

Mit den Herrschern aus dem Geschlecht der Salier begann der Aufstieg Goslars zu einem der Machtzentren des mittelalterlichen Deutschen Reiches. Die Salier waren ein altes fränkisches Adelsgeschlecht, das 1024 mit König Konrad II. die Regierung des Reiches übernahm. Auf Konrad, der mehrfach in Goslar weilte, gehen die Kirchengründungen innerhalb des in den späteren Pfalzbezirk verlegten Königshofes und auf dem Georgenberg zurück. Zudem stellte er die Kaufleute des frühstädtischen Goslar unter seinen Schutz.

Mit Heinrich III. (reg. 1038-56) erlebte Goslar die erste Glanzzeit seiner Geschichte. Der Königshof wurde zu einer, für damalige Verhältnisse, gewaltigen Pfalzanlage ausgebaut. Hierzu gehörte das Kaiserhaus, die Palastkapelle Unserer Lieben Frauen und die 1050 geweihte Stiftskirche St. Simon und Judae (Dom). Der Sakralbau war mit seinem monumentalen Westbau genau auf die Mittelachse des Kaiserhauses ausgerichtet. Heinrich wählte Goslar zu seiner Lieblingspfalz und machte sie zu einem Ort wichtiger historischer Ereignisse. So empfing er hier kurz vor seinem Tod (1056) Papst Viktor II. und eine Vielzahl deutscher Fürsten.

Auch Heinrich IV. (reg. 1056-1106) nahm sehr häufig Aufenthalt in Goslar. Die Regierungszeit Heinrichs IV. war durch den Investiturstreit und Auseinandersetzungen mit den sächsischen Fürsten gekennzeichnet. Der Investiturstreit war ein heftig ausgetragener Gegensatz zwischen Papst und Kaiser, entzündet an der Befugnis zur Einsetzung (Investitur) der Bischöfe im Deutschen Reich. Bei den Auseinandersetzungen standen Goslar und seine Umgebung, so die von Heinrich als Zwingburg errichtete Harzburg, immer wieder im Brennpunkt der Ereignisse. So bezog 1077 der von den oppositionellen Fürsten gewählte Gegenkönig Rudolf Quartier in der Pfalz. Währenddessen absolvierte Heinrich IV. seinen Gang nach Canossa, um den päpstlichen Bann zu lösen.

Unter dem letzten Salier, Heinrich V. (reg. 1106-1125), blieb die Goslarer Pfalz bevorzugter Aufenthaltsort und Schauplatz großer Festlichkeiten. Ein weiterer Aufstand der sächsischen Fürsten und die Niederlage des Kaisers in der Schlacht am Welfesholze (1115) verwehrten jedoch auch diesem Herrscher über Jahre den Aufenthalt in Goslar. Nach einem Zwischenspiel sächsischer Reichsherrschaft unter Kaiser Lothar von Süpplingenburg (reg. 1025-37) gelangte mit Konrad III. (reg. 1038-52) das Geschlecht der Staufer in das Zentrum der Macht. Goslar behielt seinen Rang als wichtiger Pfalzort, vor allem auch während der Zeit Kaiser Friedrichs I. (Barbarossa, reg. 1152-90). Die ab 1176 offen ausgetragene Rivalität zwischen dem Kaiser und dem mächtigen Welfenherzog Heinrich dem Löwen brachte wiederum kriegerische Wirren. Sie berührten auch Goslar, so ließ Heinrich die Bergbaubetriebe 1180 zerstören. In der Stauferzeit erlebte die Pfalz ihre letzte Blütezeit, sie wurde im 12. Jahrhundert durch den Bau der Ulrichskapelle erweitert und unter Heinrich VI. noch einmal aufwändig umgebaut. Gleichzeitig entwickelte sich die Kaufmanns- und Bergleutesiedlung Goslar zu einer bedeutenden mittelalterlichen Stadt. Hier entstand nun eine Reihe hochrangiger Sakralbauten und eine beachtliche Zahl steinerner Wohnbauten. Eine mächtige Stadtbefestigung, in welche der Pfalzbezirk einbezogen wurde, schützte die Stadt. Sie umfängt den abgerundet-rhombenförmigen Umriss des ca. 125 Hektar großen mittelalterlichen Weichbildes.

Während des Verfalls der kaiserlichen Macht in der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts konnte Goslar den Status als freie Reichsstadt sichern. Ein Stadtrat wurde 1219 erstmals erwähnt. Nach 1356 gingen das Bergrecht und der Bergzehnt (Abgaben aus den Erlösen des Bergbaus) in städtische Hände über. Die Bürger agierten weitgehend selbständig und bauten die wirtschaftlichen Beziehungen im Verbund mit der Hanse aus. In den Jahrzehnten um 1500 konnte sich Goslar einer weiteren Blütezeit erfreuen. Bergbau und Hüttenwesen florierten nach einer längeren Stagnation erneut, wozu auch technische Innovationen beitrugen. Von der spätmittelalterlichen Glanzzeit künden das Rathaus, der „Kaiserworth“ am Markt, zahlreiche Bürgerbauten und der Ausbau der Stadtbefestigung mit mächtigen Rundtürmen und Zwingeranlagen. Seinerzeit existierten innerhalb und in der direkten Umgebung der Stadt 47 Kirchen, Klöster und Kapellen.

Wieder zogen der einträgliche Bergbau und der Wohlstand Goslars die Begehrlichkeiten eines benachbarten Herrschers auf sich. Herzog Heinrich d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel beabsichtigte, den Bergbau um Goslar unter seine Kontrolle zu bekommen. Auf Grund einer drohenden Belagerung ließ der Goslarer Rat 1527 sämtliche vor der Stadt gelegenen Klöster und Stifte abbrechen. Im gleichen Jahr wurde in Goslar die Reformation eingeführt. 1552 zwang der Herzog die Stadt zur Abtretung der Bergbaurechte und großer Teile der Forste.

In der Barockzeit und im frühen 19. Jahrhundert wurde Goslar von mehreren Großbränden heimgesucht. Inzwischen war aus der einstigen Metropole eine Provinzstadt geworden. Der Brand von 1728 vernichtete einen Großteil der östlichen Stadthälfte, der Unterstadt mit der aus dem 12. Jahrhundert stammenden Stephanikirche.

1802 verlor Goslar den Status der Reichsfreiheit und gelangte für vier Jahre an Preußen. Von 1807 bis 1813 gehörte es zum Königreich Westphalen. Beim Wiener Kongress wurde es 1815 dem Königreich Hannover zugesprochen. Nach der Auflösung des Königreichs 1866 kam die Stadt wieder an Preußen und gehört seit 1946 zum Bundesland Niedersachsen. Goslar ist im Zweiten Weltkrieg unbeschädigt geblieben und kann sich heute mit einem der schönsten historischen Stadtbilder Norddeutschlands präsentieren. 1992 wurden die Goslarer Altstadt und der Rammelsberg mit seinen Anlagen der Montanindustrie in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Texte: Elmar Arnhold
Fotos: Sándor Kotyrba

100 Seiten, 15cm x 15cm, Softcover
ISBN: 978-3-942712-45-3