Fachwerkarchitektur in Quedlinburg

Architekturführer

Seit 1994 ist der historische Stadtkern von Quedlinburg in die Liste der UNESCO-Welterbestätten eingetragen. In der Würdigung als Weltkulturerbe sind sowohl die Bedeutung des Ortes als Mittelpunkt des frühen Deutschen Reiches als auch der einzigartige Bestand an Fachwerkgebäuden hervorgehoben.

Den großartigen Baudenkmälern aus dem Hochmittelalter, wie der Stiftskirche St. Servatius oder der Wipertikirche, steht ein weitgehend geschlossen erhaltenes Stadtbild zur Seite. Dieses zeigt in seinem Grundriss, in der Anlage seiner Straßen und Plätze sowie der Stadtbefestigung, einen Einblick in über 1000 Jahre Siedlungsgeschichte. Innerhalb des historischen Stadtkerns lassen sich vier Teilstädte deutlich voneinander unterscheiden: Der Schlossberg mit seinem Stadtquartier (Westendorf), die Altstadt, die Neustadt und die an Stelle einer ehemaligen Klosteranlage entstandene Siedlung auf dem Münzenberg.

Die erste urkundliche Erwähnung Quedlinburgs stammt aus dem Jahr 922 und somit aus der Zeit König Heinrichs I. (reg. 919-936). Heinrich I. gilt als der erste Herrscher des Deutschen Reiches und stammte aus altem sächsischen Adel. Er ließ auf dem Schlossberg eine Burganlage errichten, welche sein bevorzugter Aufenthaltsort wurde. Nach seinem Tod stiftete sein Nachfolger, Otto I. (der Große, reg. 936-73) auf der Burg 936 ein hochbedeutendes freiweltliches Damenstift. Gleichzeitig galt Quedlinburg als Königspfalz und wurde häufig von den deutschen Königen bzw. Kaisern des Hl. Römischen Reiches besucht.

Ein Ort von solcher Bedeutung zog Handwerker und Kaufleute an. Bereits 994 privilegierte Otto III. (reg. 980-1002) Quedlinburg mit Markt-, Münz- und Zollrechten. Die im Norden des Burgbergs und des Westendorfs gelegene Marktsiedlung wurde im Verlauf des 12. Jahrhunderts auf den Umfang der Altstadt aufgesiedelt. Die dynamische Entwicklung führte zu Beginn des 13. Jahrhunderts zur Anlage der Neustadt im Osten der alten Marktsiedlung, die sich als ursprünglich eigenständige Teilstadt noch heute deutlich abzeichnet.

Lag die Oberhoheit über die Stadt auch bei den Äbtissinen des Damenstifts, so konnten die Stadtgemeinden v.a. im 14. Jahrhundert umfangreiche Rechte an sich ziehen. In diese Blütezeit der auch in der Hanse vertretenen Stadt fällt die Errichtung der Rathäuser von Alt- und Neustadt, der Stadtbefestigung und der Neu- bzw. Ausbau der wichtigsten Stadtpfarrkirchen.

Nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit der Äbtissin Hedwig von Wettin verlor die Stadt 1477 einen Großteil ihrer Freiheiten. Die wirtschaftliche Prosperität blieb jedoch weitgehend erhalten. Dies gilt auch für die Zeit des 16. und 17. Jahrhunderts, obwohl Quedlinburg nur wenig am Fernhandel beteiligt und eher als regionales Zentrum anzusehen war. 1698 wurde das Stift Quedlinburg in das Kurfürstentum Brandenburg (später Preußen) eingegliedert.

Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Stadt u.a. zu einem Zentrum der Saatzucht und konnte sich um 1900 einer neuen Blütezeit erfreuen. Dies zeigt sich anhand zahlreicher Jugendstilbauten.

Nachdem Quedlinburg ohne Zerstörungen den 2. Weltkrieg überstanden hatte, kam es zur Zeit der DDR bis 1989 zum Verfall und auch zum Abbruch zahlreicher Fachwerkbauten. Seit den 1970er Jahren wurden jedoch auch Baudenkmäler saniert. Seit der Wiedervereinigung wird die umfassende Sanierung mit großem Erfolg weitergeführt.

Texte: Elmar Arnhold
Fotos: Sándor Kotyrba

64 Seiten, 15cm x 15cm, Softcover
ISBN: 978-3-942712-02-6