Gärten und Parks im Braunschweiger Land
Architekturführer
Gärten dienten neben dem Nahrungserwerb schon früh als Orte der Besinnlichkeit. Der Aufenthalt in ihnen wird oft als Moment der Zufriedenheit und der Ruhe wahrgenommen. Der Garten erscheint als Ort der Abgeschiedenheit jenseits des alltäglichen Trubels, von den Erschwernissen des Alltags abgerückt. Er erweckt in seinem Besucher die Aussicht auf Sorglosigkeit, sowohl als Lieferant wohlschmeckender Früchte als auch zur Gestaltung freier Zeit. In der Literatur wird das Wort „Paradies“ oft als „umgrenztes Stück Natur“ verstanden und meint damit nichts weniger als den „Garten“. Der Ausgestaltung dieser Paradiese wurden in den verschiedenen Epochen und Kulturkreisen unterschiedliche Formen gegeben.
Die Anfänge westeuropäischer Gartenkunst werden erst mit den Klöstern wirklich greifbar, hier jedoch noch vom Kampf des Menschen gegen die übermächtige Natur geprägt. Gärten waren häufig als Nutz- oder Kräutergärten in Form abgeschlossener Areale gestaltet.
Erst mit weiter fortschreitender kultureller, wirtschaftlicher und technischer Entwicklung konnte eine Öffnung zur Natur hin vollzogen werden. Als erstes wurde diese veränderte Sichtweise in den italienischen Renaissancegärten zelebriert. Die Hinwendung zur Natur führte zu den exponierten Landhäusern, bei der der panoramische Landschaftsgenuss die kulturellen Qualitäten einer Anlage bestimmte. Daneben standen wissenschaftliche Fortschritte in der Mathematik und Darstellungstechnik für die innere Ausgestaltung der Gärten Pate. Geometrische Formen, Symmetrie und Zentralperspektive als Ausdruck hochstehender kultureller Bildung wurden mit allem Raffinement in den Gärten gepflegt. Am aufwendigsten inszenierte diesen Kunststil der französische Barockgarten. Hier sollte die im Unendlichen endende Zentralachse die Verbindung des Monarchen mit seiner göttlichen Herkunft veranschaulichen.
Neben der gesellschaftlichen Repräsentation sind Gärten aber auch Orte der Besinnung, der Kontemplation und der philosophischen Betrachtungen. Besonders im englischen Landschaftspark wurde die Hinwendung zur Natur als Gegenentwicklung zur absolutistischen Herrschaftsform manifestiert. Das neue Freiheitsstreben der aufklärerischen Gedankenwelt wurde mit der naturhaften Gestaltung dieser Parks dargestellt. Der ungezwungen, frei wachsende Baum nimmt in dieser Planungstheorie eine besondere Stellung ein. Er gilt als Sinnbild für die freie Entfaltung des Individuums. Nicht selten wurden die Landschaftsgärten mit einem ikonologischen Programm und zahlreichen Staffagebauten ausgestattet wie z. B. der Grotte im Destedter Landschaftspark oder dem Borkenhaus im Wolfsburger Schlosspark. Anfänglich noch von anglo – chinesischen Gärten beeinflusst, setzte der Gartenstil sich als „englischer Garten“ in ganz Europa durch.
Nach Deutschland und damit auch im Braunschweiger Land importierte man diese kulturellen Strömungen durch die sogenannte „Grand Tour“, die von den Adeligen und anderen begüterten Menschen mit Bildungsanspruch unternommen wurde. Goethe kann hier als bekanntestes Beispiel genannt werden. Aber auch verwandtschaftliche Beziehungen zu anderen Herrscherhäusern forcierten die Einführung neuer Gartenstile wie des englischen Landschaftsparks, so dass am Ende des 18. Jahrhunderts dieser zur vorherrschenden gartenarchitektonischen Stilrichtung geworden war und mit einigen Abwandlungen bis heute fort wirkt.
In unserer Region wurden die unterschiedlichen Gartenstile von der herzoglichen Familie aufgenommen und mit einigen deutschlandweit beispielhaften Anlagen zur Blüte geführt.
Als eines dieser Beispiele kann die Herzogliche Residenz Hessen am Fallstein mit ihren Gärten angesehen werden, die im Stile der Renaissance die Gartenkunst der damaligen Zeit in herausragender Weise widerspiegelte. Daneben existierten gleichwertige Anlagen in Schöningen und Hedwigsburg. Damals wurde über verschiedene verwandtschaftliche und gesellschaftliche Kontakte der Austausch neuartiger Pflanzen aus den Kolonien gepflegt. Vor allem in Hessen am Fallstein führte dies zu einer der umfangreichsten Pflanzensammlungen Norddeutschlands. Hier wurden beispielsweise Pflanzen aus dem damals berühmten Garten des Landgrafen von Hessen-Kassel oder vom Dänischen Königshof bezogen, zu dem eine enge familiäre Beziehung bestand. Herzog Anton Ulrich führte diese Tradition mit der außerordentlich reichhaltigen Schloss- und Gartenanlage in Salzdahlum fort. Zur herzoglichen Hofstatt gehörten außerdem die Parks von Blankenburg, Vechelde, Antoinettenruh, Langeleben und Wendessen. Die Anlagen der herzoglichen Minister in Wendhausen und Hundisburg standen diesen Parks kaum nach, aber auch in Destedt existierte ein aufwendiger barocker Park an der sogenannten Unterburg. Ein weiteres gartenkünstlerisches Kleinod muss der Gutspark von Flachstöckheim zur damaligen Zeit gewesen sein. Als einzige parkähnliche barocke Anlage in unserer Region ist das Jagdrevier des Lechlumer Holzes mit seinen Straßenachsen und dem Jagdstern in Relikten erhalten, während in Sachsen-Anhalt mit dem wiederauferstandenen Hundisburg und den Parkanlagen in Blankenburg besonders bedeutende Barockgärten zu besichtigen sind.
Auch bei der Anlage von Landschaftsparks gehörte die herzogliche Familie durch ihre familiären Bindungen zu den Protagonisten dieser Bewegung. Der Park von Richmond in Braunschweig für Herzogin Augusta, eine englische Prinzessin, wurde von keinem geringeren als Lancelot Brown, einem der führenden englischen Gartenarchitekten, konzipiert. Daneben existierte zu dieser Zeit auch eine rege Gartenbewegung unter den anderen adeligen Familien im Umland. Hier sind vor allem die Parks von Destedt, Lucklum, Harbke und Schwöbber bei Hameln zu nennen, deren Besitzer in der Mitte des 18. Jahrhunderts einen Wettstreit des artenreichsten Landschaftsparks ausfochten. Aus ihren Parkanlagen wurden dann die Parks der Umgebung mit Jungpflanzen versorgt. Von einigen uralten Tulpenbäumen im Schlosspark Destedt vermutet man, dass sie die ersten Exemplare ihrer Art auf dem Kontinent sind.
Mit dem Abtragen der Wälle in Braunschweig und Wolfenbüttel wurden die ersten öffentlichen Parkanlagen ab Beginn des 19. Jahrhunderts angelegt. Daneben bauten zahlreiche Großbürger, dem Beispiel der herzoglichen Familie folgend, auf den neu erworbenen Grundstücken der ehemaligen Befestigungen ihre herrschaftlichen Villen mit den dazugehörigen Parks. In der Zeit der Preußischen Regentschaft zum Ende des 19. Jahrhunderts entstanden sowohl auf Betreiben der herzoglichen Baudirektion als auch der Stadt mit dem Prinz Albrecht Park und dem Bürgerpark für ganz Norddeutschland beispielgebende Volksparks. Daneben existieren mit dem botanischen Garten sowie dem Schul- und Bürgergarten Sondergärten, deren Ursprünge ebenfalls in der Sammlung und Präsentation von unterschiedlichen Pflanzen und deren Verwendung zu finden ist.
Während städtische Anlagen meistens gartendenkmalpflegerisch unterhalten werden, fehlt es den ländlichen Parks häufig an der nötigen Pflege. Des weiteren lassen Umnutzungen und Umstrukturierungen in der Landwirtschaft das Gartenerbe auf dem Lande immer mehr verschwinden.
Um das gartenkulturelle Erbe für kommende Generationen zu erhalten, bedarf es einer umfassenden wissenschaftlichen Aufarbeitung sowie Unterstützung bei Erhaltung und Pflege. Das Netzwerk Gärten und Parks der Braunschweigischen Landschaft e. V. will mit seiner Internetseite www.gaerten-parks.de die Wertschätzung für weitere und noch unentdeckte Gartenjuwele fördern. Diese Publikation stellt einige der herausragenden Anlagen im Braunschweiger Land vor.
Texte: Elmar Arnhold, Kai-Uwe Grahmann, Klaus Hermann, Günter Piegsa. Sabine Sewella, Heike Volkmann
Fotos: Sándor Kotyrba
64 Seiten, 15cm x 15cm, Softcover
ISBN: 978-3-942712-19-4