Schloss Hessen

Landkreis Harz, Sachsen-Anhalt

Luftbild Nordwestansicht Schloss Hessen

Luftbild aus Südwesten von Schloss Hessen: Im Vordergrund sind die Reste des einstigen Wirtschaftshof zu erkennen.

Unterburg

Gesamtansicht der Unterburg von Osten: ehemalige Brauerei, Hausmannsturm, Torhaus, Herrenhaus und Steinscheune (v.l.n.r.) im Jahr 2016.

Gesamtansicht der Unterburg von Osten: ehemalige Brauerei, Hausmannsturm, Torhaus, Herrenhaus und Steinscheune (v.l.n.r.) im Jahr 2015.

Blick in den Hof der Unterburg mit dem ehemaligen Brauhaus, dem Hausmannsturm, dem Torhaus und dem Herrenhaus (v.l.n.r.). rechts im Bild angeschnitten ist noch die Südostecke der Steinscheune zu erkennen.

Blick in den Hof der Unterburg mit dem ehemaligen Brauhaus, dem Hausmannsturm, dem Torhaus und dem Herrenhaus (v.l.n.r.). rechts im Bild angeschnitten ist noch die Südostecke der Steinscheune zu erkennen.

Hausmannsturm

Turm der Unterburg

Der auf einem quadratischen Grundriss errichtete Turm hat eine Seitenlänge von 9 m und eine für damalige Verhältnisse überdurchschnittliche Höhe von 45 m. Seine Erbauung wird auf den Anfang des 14. Jahrhunderts datiert. Der Hausmannsturm ist der einzige Bau des gesamten Schlossensembles, welcher noch weitestgehend sein ursprüngliches Aussehen aus dem Mittelalter bewahrt hat. Auf die frühe Entstehungszeit weist auch der einzige Zugang zum Turm hin. In einer Höhe von 11 m befindet sich in der Nordwand eine Öffnung mit einer gotischen Spitzbogenrahmung. Dieser Zugang ist nur vom angrenzenden Torhaus aus erreichbar. Im Gegensatz zum Turm der Oberburg ist der Hausmannsturm nicht in Geschosse geteilt, da er nie als Wohnturm diente. Die Erschließung findet im Inneren durch eine Holztreppe statt.

Der Bergfried war nicht wie gewöhnlich mit einem Zinnenkranz ausgestattet. Er trägt einen Turmhelm, welcher aus dem quadratischen Grundriss in ein Achteck übergeht. Auf jeder Seite des Daches befindet sich eine Stehgaube. Eine davon war ein Ausbau für eine Schlagglocke. Wie das gesamte Schloss hatte auch der Hausmannsturm ursprünglich eine Schieferdeckung.

Abgesehen von der Eingangsöffnung sind die einzigen Durchlässe in der Mauer kleine Schlitze in etwa 30 m Höhe. Daher scheint der Hausmannsturm zur Verteidigung der Burg eher ungeeignet gewesen zu sein. Die kleinen Öffnungen konnten vermutlich nicht als Schießscharten benutzt werden, da sie nicht lang genug sind, um zum Fuß des Turmes zu zielen. Unter Berücksichtigung der stark eingeschränkten Möglichkeiten der aktiven Verteidigung vom Bergfried aus, der unzureichenden Ausstattung der Räume für eine längere Belagerung und nicht zuletzt der bemerkenswerten Höhe drängt sich die Vermutung auf, dass der Turm vorwiegend repräsentativen Zwecken diente. Im Mittelalter war es nicht unüblich, dass sich die Burgherren mit ihren Bergfrieden oder Türmen Statussymbole bauten. Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass auf der Burg in Hessen zwei Türme existieren. Erstmals erwähnt wurden die beiden Bergfriede in einer Urkunde aus dem Jahr 1355.

Torhaus

Das Torhaus verbindet den Hausmannsturm mit dem nördlich angrenzenden Westflügel der Unterburg (Herrenhaus). Auf der Westseite schließt es bündig mit beiden Gebäuden ab. Im Kern stammt das Torhaus aus dem 14. Jahrhundert. Darauf weist die gotische Bogenstellung des Hauptportals auf der westlichen Außenwand des Torhauses hin. Am Torbogen sowie am Durchgang sind auf der Westseite Falzen zu erkennen. Diese Vertiefungen sind Zeugen der noch 1726 erwähnten Zugbrücke, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts durch eine Steinbrücke ersetzt werden sollte. Aus dieser Zeit stammt auch der Fachwerkaufbau.

Das Torhaus wird vom angrenzenden Turm durch eine Baufuge als Baukörper getrennt. Jedoch ist dies lediglich ein Hinweis auf die enormen Masseunterschiede beider Gebäude. Die Fensteröffnungen in der Westfassade sind in der Renaissancezeit angelegt worden.

Der Eingang zur Burg ist nicht besonders betont. Es wurden z.B. keine Tortürme errichtet, vermutlich wegen des direkt angrenzenden Bergfrieds.

Brauerei

Der östlich an den Hausmannsturm anschließende Südflügel der Unterburg hat eine sehr wechselhafte Geschichte. Der ursprüngliche, mittelalterliche Bau hatte ähnliche Abmessungen wie das Herrenhaus und die Steinscheune. Das damalige Brauhaus bildete den südlichen Abschluss der Unterburg, wodurch die gesamte Burganlage nach außen geschützt war.

Zwischen 1745 und 1748 wurde das Gebäude von Martin Peltier im Zuge von Renovierungen abgerissen und an gleicher Stelle ein Gebäude für Pferdeställe, Wagen und die Pförtnerwohnung errichtet. Da dieses erheblich kleiner war als der alte Südflügel, lag die Südseite des Hofes nun zu einem großen Teil frei. Dieser Barockbau wurde wiederum im 19. Jahrhundert durch das heute noch bestehende Wohnhaus ersetzt.

Herrenhaus

Nördlich an das Torhaus schließt in gleicher Flucht das Herrenhaus an, der Westflügel der Unterburg. Es ist davon auszugehen, dass vor dem heute noch erhaltenen Renaissancebau aus dem 16. Jahrhundert ein mittelalterlicher Bau existiert haben muss. Unwahrscheinlich ist, dass die Burg im 14. Jahrhundert in Richtung Westen nicht durch ein Gebäude abgeschlossen wurde. Von seinen Dimensionen, Materialien und Nutzungen ähnelte der Vorgängerbau wahrscheinlich der angrenzenden Steinscheune. Im Sockelbereich des heutigen Kindergartens sind Hinweise auf einen mittelalterlichen Kernbau festzustellen. Allerdings ist nicht mehr nachzuvollziehen, in welchem Umfang der Renaissancebau noch Kernbausubstanz des 14. Jahrhunderts enthält.

Die Erbauung des heute zweigeschossigen Renaissancebaus fällt vermutlich in die Regierungszeit Heinrich d.J. um 1536. Als Pagenhaus geplant, diente das Gebäude jedoch vom Ende des 16. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts als Marstall. Unter dem Landbaumeister Martin Peltier (gest. 1769) wurde das Herrenhaus in den Jahren 1745-48 wieder zu reinen Wohnzwecken umgebaut.
Der Merianstich von 1642 zeigt im zentralen Eingangsbereich deutlich einen achtseitigen, mit einer geschweiften Haube abschließenden Treppenturm. Zwischen 1735 und 1780 wurde der Wendelstein durch eine innen liegende Treppe ersetzt. Ob die Position des ehemaligen Treppenturms mit der Lage des heutigen Eingangsbereiches übereinstimmt, ist nicht eindeutig. Auf dem Merianstich sind zwischen Treppenturm und Steinscheune deutlich mindestens sechs Fensteröffnungen zu erkennen – heute sind es nur fünf.

Die Initiale “C“ in der Fensteröffnung über dem Eingang des Herrenhauses weist auf Herzog Carl I. (reg. 1735-80) hin. Unter dem Pächter Carl von Schwartz wurde dieses Fenster 1910 mit einem Jugendstil-Ziergitter versehen.

Seit den 1950er Jahren befinden sich im Westflügel der Unterburg der Kindergarten und die Kinderkrippe der Gemeinde Hessen. Zwischenzeitlich wurden die nördlichen Räume des Obergeschosses als Turnhalle für die Schule genutzt. In den südlichen Räumen des Obergeschosses befinden sich heute noch hinter einer abgehängten Decke Stuckverzierungen aus dem 16. Jahrhundert.

Ostansicht Herrenhaus Schloss Hessen

Ostansicht Herrenhaus Schloss Hessen

Südfassade Steinscheune Schloss Hessen

Südfassade Steinscheune Schloss Hessen

Steinscheune

An der Steinscheune lassen sich Spuren aller Bauphasen des gesamten Schlossensembles finden. Der Nordflügel der Unterburg ist in seinem Kern aus dem frühen 14. Jahrhundert erhalten. Er gibt neben den beiden Türmen den besten Eindruck in die mittelalterliche Kernbausubstanz der Schlossanlage. Seine West-, Nord- und Ostwand stehen direkt auf der Ringmauer des Schlosses und weisen die gleiche Stärke von ca. 1,80 m auf. Die hofseitige Südwand hat nur eine Stärke von ca. 1,10 m. Mit einer Höhe von 10,50 m enden die Außenmauern auf der ursprünglichen Traufhöhe. Die nördliche Giebelfront weist noch ihren ursprünglichen Ortgang auf. Daraus ergibt sich eine Gesamtgebäudehöhe von 16 m. Des Weiteren sind besonders am nördlichen Giebel noch die Löcher für die Befestigung der Gerüste zu erkennen, die zum Bau der Steinscheune im 14. Jahrhundert dienten.

An der Nordwest-Ecke des Gebäudes erhob sich, wie auf dem Merian-Stich zu erkennen ist, ein Turm mit einer Laterne. Im Lageplan der Anlage von 1812 ist dieser Turm nicht verzeichnet.

Zwischen der Steinscheune und dem angrenzenden Westflügel der Oberburg gab es zwei Verbindungen. Im ersten Obergeschoss ist heute noch eine mit Eierstab verzierte Portalöffnung zu erkennen, welche über einen Steg zur Bischofsstube an der Nordwestecke der Oberburg führte. Diese Holzbrücke wurde bereits in den Inventaren von 1538 erwähnt. Ein zweiter Übergang befand sich etwas tiefer und gewährte Zutritt zur Treppenspindel, er führte über Wasser. Im Inventar von 1628 wird der dort als “Brücke” bezeichnete Gang als “zerbrochen” beschrieben.

Bei der Betrachtung der Südfassade lassen sich die einzelnen Bauabschnitte deutlich ablesen. Im Bereich des Obergeschosses befinden sich kleine Schlitzöffnungen, die noch aus dem Kernbau des 14. Jahrhunderts stammen. Anzunehmen ist, dass dieses Geschoss zu Lagerzwecken landwirtschaftlicher Produkte genutzt wurde, was größere Öffnungen unnötig machte. Im nördlichen Bereich der Fassade und an der gesamten Nordwand der Scheune sind die Umbauten der Renaissancezeit zu erkennen. Im mittleren bis unteren Abschnitt der Südmauer weisen die Fenster- und Toröffnungen auf die Zeit des Barock hin. Ein deutliches Indiz dafür sind die Nischen mit korbbogiger Backsteinüberdeckung. Am nördlichen Wandende befindet sich der Eingang zum Kellerraum aus dem 19. Jahrhundert.

An der Innenseite der Südwand sind deutlich auf halber Höhe Konsolen für ein mittelalterliches Deckengefüge zu erkennen. Demnach war die Steinscheune zur Zeit ihrer Erbauung in zwei Geschosse unterteilt. Knapp oberhalb und gut 2 m unterhalb dieser Konsolen sind Balkenlöcher zu erkennen, die vermutlich aus dem 18. Jahrhundert stammen und darauf hinweisen, dass die Steinscheune demnach in der Barockzeit in drei Stockwerke unterteilt wurde.

An der Nordwand ziehen sich in einer Höhe von ca. 2 m über die Hälfte der Länge der Steinscheune eine Reihe rotfarbener Bruchsteine hin. Einige Eckquader der Nordostecke bestehen ebenfalls aus diesem roten Steinmaterial. Ob es sich hierbei um Material des frühromanischen Vorgängerbaus handelt, ist ohne eine archäologische Untersuchung nicht zu klären.

Zur Zeit ihrer Erbauung war die Scheune ein reines Wirtschaftsgebäude. Durch das Inventar des Schlosses von 1582 ist erstmals eine genaue Beschreibung der damaligen Nutzung möglich. Im ersten Obergeschoss wird ein Gemach als Pendant des Schaumburgischen Gemaches im Westflügel der Oberburg erwähnt. Auf den Namensursprung wird nicht genauer eingegangen. In diesem sollen sich zwei Modelle der geplanten Erweiterung der Oberburg befunden haben. Es handelt sich hierbei um die Errichtung des Westflügels und die Erweiterung des Nordflügels. Die beiden architektonischen Modelle befanden sich vermutlich in diesem Gemach, weil man von hier aus einen direkten Blick auf die betreffenden Burgseiten hatte und die Bauarbeiten beobachten konnte. Sie waren laut Inventar auf das Jahr 1562 datiert, also ein Jahr vor der Fertigstellung des Westflügels. 1628 wurden die Modelle schon als beschädigt beschrieben, heute ist von ihnen nichts mehr nachzuweisen. Neben dem „Schaumburgischen Gemach“ waren im ersten Obergeschoss die Behausungen der bediensteten Mägde und Knechte untergebracht.

Im 1. Obergeschoss befand sich das Jagdzimmer. Nach Aussage des Wolfenbütteler Kunsthistorikers Dr. Friedrich Thöne handelte es sich hier um einen der frühesten Jagdsäle Norddeutschlands. Er war mit einer Vielzahl von Hirschgeweihen und Jagdtrophäen geschmückt.

Um 1900 wurde im westlichsten Teil der Steinscheune ein Gewölbe mit einer Preußischen Kappe eingezogen. Es liegt nur etwa 0,80 m tiefer als die restlichen Räume des Erdgeschosses, stellt demnach keinen wirklichen Ersatz des nicht vorhandenen Kellers dar. Das Gewölbe wurde von der Pächterfamilie von Schwarz als Lagerraum erbaut. Bis etwa 1990 diente es als Vorratskeller für die Schulküche.

Oberburg

Westflügel

Durch eine Inschrift kann das Jahr der Entstehung auf 1565 festgelegt werden. Ein eingemauerter Jahresstein in der Ecke zwischen West- und Nordflügel trägt die Inschrift: Von Gottes Ghnaden Guliuß Hertzog tzu Braunswig und Lunborgk hat mich laßen bauen Anno 1565. Damit fällt die Errichtung in die Zeit der Umbaumaßnahmen (1562-1568) durch Herzog Julius. Mit dem Bau dieses Flügels wurde die Oberburg zu einer Vierflügelanlage.

Der Flügel wurde westlich an die bestehende Anlage angebaut, fasst die Oberburg also wie eine Klammer. Seine Länge beträgt etwa 35 m, seine Tiefe etwa 12,60 m. Sein Untergeschoss war im Gegensatz zu allen anderen kreuzgratgewölbt, so auch die Tordurchfahrt und der zum Westflügel gehörende Keller, der nördlich an die Tordurchfahrt anschloss. Im Grundriss von 1804 von Schmelzer wurde dieser Keller als „Molchen-Keller“ bezeichnet. Man erreichte ihn über eine Treppe von der Durchfahrt aus. Zwei Fenster, eines in der Nord- und eines in der Westwand, belichteten und belüfteten den Raum. Diese Fenster fallen durch sehr schmale Öffnungen und stark abgeschrägte Gewände auf.

Das südlich der Durchfahrt liegende Untergeschoss war in zwei Räume geteilt, hierin befand sich lt. Schmelzer die Brauerei („Brau-Haus“). Der an die Durchfahrt grenzende, nördliche Raum der Brauerei nahm etwa zwei Drittel der Grundfläche des Untergeschosses ein. Damit folgte die trennende Wand zum südlichen Raum hin in etwa der Flucht der hofseitigen Außenwand des Südflügels. Er fiel durch seine große Höhe auf. Unterteilt war er in sechs Joche, die westlichen drei waren etwas schmaler als die östlichen. Das mittlere Joch auf der Westseite wurde von einem großen Rauchfang eingenommen, dessen Dimension vermutlich die Breite der Joche festlegte. In Schmelzers Zeichnung erkennt man deutlich einen Höhenversatz um drei Stufen zwischen dem zweiten und dem dritten östlichen Joch. Der südliche Teil des Raumes lag also, wie der südliche Raum, erhöht. Damit lag der Fußboden des südlichen Teils des Brauhauses in etwa auf Niveau des Schlosshofes. Ein anfangs vorhandener, in der Zeichnung von 1804, jedoch vermauert dargestellter schräger Zugang direkt neben dem Treppenturm in der südwestlichen Ecke des Schlosshofes deutet auch darauf hin. Aus Transportgründen scheint ein ebenerdiger Zugang zur Brauerei recht praktisch, war aber wohl zum späteren Zeitpunkt nicht mehr notwendig. Erschlossen wurde das Untergeschoss dann aus-schließlich über eine recht breite Treppe, direkt neben dem kleinen Zugang, vom Schlosshof aus. Drei oder vier Stufen führten hinab in den nördlichen Raum. In dieser Ostwand des Westflügels befand sich außerdem ein großes Fenster. Betrachtete man also den Westflügel von Osten, ergaben sich drei Fensterachsen, von denen die südlichen etwas näher zusammenlagen.

Im Untergeschoss, das für uns wie ein Erdgeschoss wirkt, war zusätzlich ganz in der südlichen Ecke die Tür des kleinen Zugangs zum Brauhaus vorhanden. Der Eingang trug eine rundbogige Quaderrahmung. Im Gegensatz zu dem daneben liegenden, größeren Eingang waren hier die Pfosten gequadert. Der Kämpfer über dem Gebälk scheint einen Aufsatz getragen zu haben, darauf deuten Spuren an der Fassade hin.

Daneben befand sich in der südlichen Fensterachse der eigentliche Eingang in die Brauerei. Er bestand aus einem backsteingemauerten Korbbogen, dessen seitliche Gewände in Sandsteinquadern ausgebildet waren. Diese Quader zeigten nach außen einen Falz und nach innen ein funktionsloses Profil, vermutlich aus einer vorangegangenen Verwendung stammend. Das Fenster oberhalb des Korbbogens besaß nur oberhalb des Kämpfers eine Quaderrahmung. Über dieser war ein Triglyphen-Metopen-Fries angebracht, dessen Metopen mit reliefplastischem Schmuck versehen waren.

Das Fenster in der mittleren Achse war ein Kreuzstockfenster, dessen Öffnung ähnlich groß wie die der Tordurchfahrt war. Es besaß eine rundbogige Quaderrahmung, der Kreuzstock war profiliert. Ein Foto dieser Wand von 1906 zeigt noch auf der linken Fensterseite eine Konsole über den Kämpfern, die vermutlich ein Gegenstück auf der rechten Seite besaß. Auffallend hoch (schätzungsweise 1,00 – 1,50 m) lag die Brüstung. Ein Ausblick aus der Brauerei auf den Hof wird wohl nicht möglich gewesen sein. Das Portal der Tordurchfahrt war ebenfalls rundbogig, mit einer rechteckigen Quaderumrahmung.

Im ersten Geschoss befanden sich in den drei Fensterachsen drei dreiteilige , fast quadratische Fenster. Sie unterschieden sich nur dadurch voneinander, dass das Fenster über der Tordurchfahrt eine mit Faszien verzierte Sohlbank besaß und nicht, wie die beiden anderen, eine einfach profilierte. Diese Sohlbänke kragten nur leicht aus. Ihr profiliertes Gesims und ihr Karniesprofil glich sich. Karl Steinacker58 bezeichnete eben diese dreiteiligen Fenster als völlig neuartig. Ein vergleichbares Fenster entdeckte man 1980 am Mündener Schloss, dieses entstammte der Zeit Erichs I. (gegen 1540). Das erwähnte Karniesprofil, dass man auch am Turm und Pavillon verwendete, ist typisch für die um 1600 entstandenen Bauten im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel.

Über der Tordurchfahrt befand sich 1804 die „Ackervoigts-Kammer“. Diese wurde von dem kleinen Fenster links des Wappens und der linken Hälfte des rechten Doppelfensters rechts des Wappens belichtet. Die rechte Hälfte des zuletzt genannten Fensters wird (wohl eher sehr spärlich) den verwinkelten Flur im Geschoss über dem Molchenkeller belichtet haben. In diesem Geschoss, das man als Hocherdgeschoss des Westflügels bezeichnen kann, befanden sich drei Räume um eine innenliegende Feuerstelle (der Schornstein reichte nicht bis in den Keller, sondern endete an dieser Feuerstelle). Vermutlich von der Tordurchfahrt aus führte eine enge Treppe in den kleinen Flur im Hocherdgeschoss59. Nach Norden führte anscheinend eine weitere Treppe hinab in die „Vorraths-Kammer“, nach Westen betrat man die „Gesinde-Stube“. Hinter dieser lag noch eine Kammer mit etwa den gleichen Maßen. Zu der og. Ackervogtskammer im ersten Obergeschoss führten einige Stufen nach Süden hinauf. Während die Ackervogtskammer keine Fenster nach Westen hin besaß, waren Gesindestube und Kammer je mit einem in diese Richtung ausgestattet, letztere hatte zusätzlich ein kleines Fenster nach Norden. Die Vorratskammer besaß ein Doppelfenster nach Norden. Ein Übergang zum Nordflügel ist nicht verzeichnet. Den Südlichen Teil des Westflügels auf dieser Ebene nahm der Luftraum des hohen Untergeschosses ein. Eine einfache Einteilung in Geschosse ist hier also nicht möglich. Daher rührten wahrscheinlich auch Schmelzers Schwierigkeiten, einige Details richtig darzustellen. Schmelzer zeichnete diesen Luftraum völlig fensterlos. Auf Fotos der West- und Ostfassade des Westflügels von vor 1906 ist jedoch deutlich zu erkennen, dass Fenster der Brauerei in der Westfassade sowohl in etwa 2,00 m Höhe (diese verzeichnete Schmelzer in seinem Grundriss des Kellers), als auch auf Höhe derer, die sich im nördlichen Teil des Gebäudes (diese zeichnete er in den Grundriss des ersten Geschosses ein), befinden, existiert haben müssen.

Das zweite Geschoss, hier ist der Begriff wohl angebracht, lag über der Brauerei, der Ackervogtskammer und den drei Räumen im Norden des Flügels und spannte sich über dessen gesamte Länge auf einem Höhenniveau. Im Norden waren zwei Vorratskammern von dem ansonsten als Kornboden genutzten Raum abgetrennt. Die Abtrennung verlief in der Flucht der angrenzenden hofseitigen Außenmauer des Nordflügels. Auch in diesem Geschoss existierte dorthin scheinbar kein Übergang, was auch nicht von Vorteil gewesen wäre, denn Schmelzer beschreibt den Nutzboden im zweiten Geschoss des Nordflügels u.a. als Kohlenlager. Allerdings gab es in diesem Geschoss wohl einen Durchgang zur Treppe in der Süd-West-Ecke des Hofes, also eine Verbindung zum Turm und zum Südflügel. Schmelzer zeichnet in diesem Geschoss, an der Südseite, einen Aborterker ein. Das dritte Geschoss ist in Schmelzers Grundriss als einziger, großer Raum dargestellt, der Dachboden. Interessant ist, dass er hier einen Durchgang zum Nordflügel einzeichnete. Da sich dort wohl auch, wie in allen Obergeschossen des Nordflügels, ein Nutzboden befand, liegt es aber wiederum nahe.

Trotz der beschriebenen Einteilung der Geschosse ergibt sich eine Westansicht des Westflügels, die überraschend geordnet wirkt. Die Aufteilung im Inneren lässt sich von außen nicht ablesen. Die Fassade ist gegliedert durch acht Fensterachsen, deren Abstände recht unterschiedlich sind. Das Portal der Hofdurchfahrt befindet sich in der dritten Achse von links, also nicht mittig. In der fünften Achse von links befinden sich nur einteilige Fenster, ansonsten waren alle Fenster der Fassade zweiteilig. Dies ist mit der Einbettung des Kamins des Rauchabzuges im Untergeschoss in die Westwand zu erklären.

Ursprünglich war der Westflügel dreigeschossig, wie man auf dem Merian-Stich von 1654 erkennen kann, Fotografien von vor 1906 zeigen jedoch nur zwei Geschosse. Anzunehmen ist, dass das oberste Geschoss, wie das des Südflügels, abgetragen wurde oder nach Zerstörung oder Verfall nicht wieder hergestellt worden ist. Mit dem dritten Geschoss verschwand auch der gewaltige Ziergiebel auf der Südseite des Daches, sowie die kleineren Ziergiebel der Ost- und Westseite. Vermutlich entsprach die Anordnung der Giebel den Fensterachsen des Flügels.

Portale des Westflügels

Die Tordurchfahrt vom Hof der Unterburg in den Hof der Oberburg befand sich ungefähr im Drittelpunkt der Außenseite des Westflügels. Auf der Hofseite schloss sie fast bündig mit der hofseitigen Außenmauer des Nordflügels ab. Auf beiden Seiten wurde die Durchfahrt von aufwendigen Portalen gefasst. Es handelt sich dabei um rundbogige Renaissanceportale, mit Quaderrahmung in der Fassade und vorgelegter Säulenordnung, die ein ausladendes Gebälk trug. Beide Portale erhielten einen Aufsatz. Vermutlich wurden die Portale erst etwa 30 Jahre nach dem Bau des Westflügels eingesetzt. Unregelmäßigkeiten im umgebenden Mauerwerk deuten darauf hin, aber vor allem lassen sich die Wappen zeitlich einordnen. Die Entstehung des Portals auf der Außenseite kann man also zwischen 1582 und 1589 annehmen, die des Portals auf der Hofseite 1594.

Meier ging davon aus, dass das äußere Portal erst ein weniger auskragendes Gebälk trug, das von zahlreichen Konsolen getragen wurde und erst später wegen des Aufsatzes ein weiter auskragendes Gebälk mit Stützen erhielt. Demnach ist das Portal schon bei der Errichtung des Westflügels (1565) eingebaut worden, der Aufsatz und die Säulen, genau wie das östliche Portal, jedoch erst etwa 30 Jahre später. Dies ist doch eher unwahrscheinlich, da beide Portale einen beinahe identischen Schlussstein, der als Konsole für das Gebälk diente, trugen.

Die Aufsätze stammten vermutlich von Jakob Meyerheine, ebenso wie der am Hauptportal des Zeughauses in Wolfenbüttel (1619) und der am Juleum in Helmstedt (als einziger archivialisch gesichert, 1592 bis 1597).

Westportal

Außenportal des ehemaligen Westflügel von Schloss Hessen am Fallstein.

Das äußere Portal des Westflügels (Westportal), ca. 1900

Die rechteckige Quadereinfassung der rundbogigen Öffnung wurde am Bogenansatz von einem Kämpfer unterbrochen. Der Konsolstein im Scheitel des Bogens trug eine seitliche Blattverzierung und stützte mittig den Architrav. An dessen Unterseite befanden sich Kassetten in Form von länglichen Facetten mit Rollwerkeinfassung. An den Seiten wurde der Architrav von zwei kannelierten Rundsäulen mit attischer Basis und Kapitell getragen. Die Säulen standen auf hohen Postamenten, die auf allen Seiten beschlagartig verzierte Kartuschen in Rollwerkeinfassung trugen. Die Säulen standen noch in keiner Verbindung zur Quaderrahmung, erfuhren diese erst durch den Architrav. Die Sockel trugen ein mehrfach abgesetztes, fallendes Karnies. Zwei abgerundete Steine seitlich der Sockel schützten das Portal vor dem Anschlagen der durchfahrenden Wagen.

Das Gesims, das unterhalb des Profils noch einen durch Leisten und Kehle geteilten Fries trug, verkröpfte seitlich. Darauf befand sich mittig eine Reliefplatte, welche die Wappen des Herzogs Julius und der Herzogin Hedwig zeigte. Die Wappen wurden jeweils von zwei Löwen und einem Greifen gehalten. Die Reliefplatte lässt sich durch die Abbildung des Wappens der 1582 angefallenen Grafschaft Hoya-Bruchhausen datieren. Beide Wappen waren hochoval und von Rollwerk eingefasst. Ionische Säulen, wiederum auf Postamenten mit Beschlagverzierung, trugen ein Gesims mit dreifachem Architrav. Die Säulen waren am Schaft ornamentiert mit Fruchtbündeln und Löwenköpfen in Bandwerkeinfassung. Am Kapitell befand sich eine Akanthusblattreihe. Auf dem Architrav befand sich ein Giebel, der nicht auf den Ecken ruhte, sondern seitlich Platz für zwei kleine, schildhaltende Krieger bot. Hinten wurde das Gesims von Pilastern mit Flachnischen getragen. Am Auflager der Säulen verkröpfte sich das Gesims seitlich. Auf beiden Seiten des Aufsatzes diente gerolltes Bandwerk mit Fruchtbündeln, Löwenköpfen und Fratzen als Abschluss.

Ostportal

Innenportal des ehemaligen Westflügel von Schloss Hessen am Fallstein.

Das innere Portal des Westflügels (Ostportal), ca. 1900

Bei diesem Portal wurde der Architrav wieder in der Mitte vom zur Konsole ausgebildeten Schlussstein des Bogens getragen. Seitlich jedoch trugen die Konsolen einen Abakus aus Viertelstab, Leiste und Platte. Die Konsolen hatten seitlich einen gerauhten Grund mit schmaler Beschlageinfassung, als Profil zeigten sie einen sehr dicken Viertelstab, eine Platte mit ovalen Perlen und einen steilen Karnies mit Kanneluren. Sie gingen mittels einer Kehlung in einen kannelierten Pilasterschaft über. Dieser saß auf dem dadurch verkröpften Kämpfer des Torbogens auf. Hier gab es also, im Gegensatz zum äußeren Portal eine enge Verbindung zwischen der Quaderrahmung und den Stützen des Architravs. Unter dem Kämpfer befand sich ein umgekehrter Dreipass. Die Pfosten unter diesem wurden aus abwechselnd verkröpften und eingezogenen, kannelierten Quadern gebildet. Einen Sockel gab es hier nicht.

Das Gesims kragte auch hier weit aus der Wand aus. Rechts war es bis an die Wand des Nordflügels gezogen, zur linken Seite kragte es wie auch nach vorne aus. Auf dem Gesims befand sich ein Aufsatz, der das Wappen des Herzogs Heinrich Julius (regierte nach dem Tod seines Vaters Julius ab 1589) trug. Das Wappen sitzt hier nicht mittig auf dem Gebälk auf, da es sich zwischen den bereits vorhandenen Fenstern des ersten Geschosses einfügen musste. Der Aufsatz lässt sich mittels des Wappens auf 1594 datieren, da es das Wappen der 1593 heimgefallenen Grafschaft Hohnstein und das Halberstädter Herzschild zeigte, sowie den Wahlspruch des Herzogs, „honestum pro patria“ (Ehre fürs Vaterland) und die Jahreszahl, von der nur die letzte Zahl, die 4, 1906 noch leserlich war.

Eingerahmt wurde das Relief durch Hermenpilaster, die oben einen Kriegerkopf mit ionischen Voluten und unten einen Engelskopf mit Bandwerk und Fruchtschnüren zeigten. Der Sockel verkröpfte sich unter den Pilastern und zeigte hier Beschlagwerk. Auch das Gesims verkröpfte über den Pilastern, der Architrav war dreifach getreppt, das Fries vorgewölbt, darüber Zahnschnitt. Auf dem Gesims befand sich eine unbeschriftete Tafel, die von Voluten mit Fruchtschnüren und Engelsköpfen gerahmt wurde.

Bergfried der Oberburg

Im Gegensatz zum Hausmannsturm der Unterburg handelt es sich bei dem Bergfried der Oberburg um einen in der Renaissance auch zu Wohnzwecken umgebauten Turm. Ein echter Wohnturm war er jedoch nicht, wodurch er seinen typischen Charakter als Bergfried nie verloren hat.

Der ursprüngliche Turm hatte lediglich im 3. Obergeschoss des Südflügels einen Eingang mit einer gotischen Spitzbogenrahmung. Die Baufugen, die auf allen vier Seiten des Turms deutlich bis zum Erdreich durchgehen, dienen als Setzungsfugen. Dadurch sollte bei einer Setzung des Turmes auf Grund seines Gewichts verhindert werden, dass die angrenzenden Bauten Schäden erleiden. Die Renaissancefenster im oberen Bereich wurden vermutlich zusammen mit dem Westflügel und dem außen liegenden Treppenturm in den 1560er Jahren eingefügt. Vor der Renaissancebaumaßnahme bestand hier, wie im Hausmannsturm, eine innen liegende Erschließung. Während der Umbauten im 16. Jahrhundert wurde in der Südwestecke des Hofes direkt an den Turm ein außen liegendes Treppenhaus angebaut. Durch diese Treppe konnten die in der Renaissancezeit eingebauten Stockwerke des Turmes sowie die Loggien und der Westflügel im 2. Obergeschoss erreicht werden. Insgesamt bestand auf drei Ebenen eine Verbindung zwischen dem Treppenhaus und dem 1562 (neu-)errichteten Westflügel.

In seiner äußeren Erscheinung zeigt der Turm der Oberburg eine starke Ähnlichkeit zum Bergfried der Unterburg. Seine Grundfläche ist jedoch mit etwa 7 x 7 m geringer als die des Hausmannsturms mit 9 x 9 m, während beide Türme ähnliche Höhen aufweisen. Auffallende Unterschiede sind neben den Fenstern und der Dachform die am Turm verwendeten, größeren Werksteinkanten.

Der Entstehungszeitraum des Turmes ist nicht eindeutig festzulegen. Erstmals erwähnt wurde er 1355, wie auch der Bergfried der Unterburg. Da er scheinbar nicht aufgestockt wurde, ist eine Entstehung in einer frühen Bauperiode (12./13. Jahrhundert) unwahrscheinlich. Seine Höhe von ca. 30 m liegt deutlich über der Höhe der Bergfriede des 12. Jahrhunderts (15-20 m). Für einen Turm des 13. Jahrhunderts ist er um 2 bis 4 m zu schmal, erst ab etwa 1350 wurden wieder Bergfriede mit Breiten zwischen 6 und 7 m gebaut, welche Höhen von weit über 30 m aufweisen können. Der Turm entstand vermutlich nach dem Turm der Unterburg, worauf auch die genauer bearbeiteten Werksteinkanten hindeuten.

Nach den Verwüstungen 1628 und 1641 im Zuge des Dreißigjährigen Krieges, sorgte sich Herzogin Anna Sophia (s. Seite 31) gemeinsam mit Herzog August d.J. (s. Seite 43) bis 1654/55 um Reperaturarbeiten am Schloss in Hessen. Davon zeugt die, im Zuge von Sanierungsarbeiten 1903 restaurierte, Wetterfahne auf der Spitze des Bergfrieds. Auf ihr ist heute noch die Inschrift „H.Z.B.V.L.W. – A.S. 1655“ (Herzogin Zu Braunschweig Und Lüneburg Wolfenbüttel – Anna Sophia 1655) zu erkennen.

Malereien

im ersten Obergeschoss des Turmes der Oberburg

In einem kleinen greuzgratgewölbten Zimmer im Turm der Oberburg haben sich Malereien aus der Renaissance erhalten. Bei den Malereien handelt es sich um Groteskendekorationen mit Beschlag und Rollwerkelementen auf weißem Grund.

Den Mittelpunkt der Malereien im Gewölbescheitel bildet eine von Rollwerk gerahmte, vergitterte Himmelsöffnung. Dieser so genannter Okulus wurde ursprünglich von vier Putti bevölkert. Von ihm leiten Beschlagwerksbänder ab, die den Kreuzgraten folgend, die Unterteilung der Schildwände vom Gewölbe verdeutlichen. Dieses scheinbar starre tektonische Grundgerüst, aus Beschlagwerksbändern und Rollwerkvoluten, wird durch gemalte, gespannte Tücher und Perlschnüren ergänzt. Letztere erfahren eine Auflockerung durch die flächenfüllend eingesetzte Groteskenornamentik der Früchtebüschel und Blattgerten. Im Mittelpunkt eines jeden Gewölbebpgens befindet sich ein Wappenmedaillon, welches von Lorbeerkränzen, Rollwerk und Blattzweigen gerahmt wird. Bei einem der vier dargestellten Einzelwappen handelt es sich um das herzoglich-braunschweigische Wappen (in der südlichen Gewölbekappe). Es ist ein schreitender Welfenlöwe, ganz in Schwarz auf einem goldenen Turnierschild, der mit weiß-schwarzen Farben der Brandenburger Markgräfin Hedwig (s. Seite 36), umrandet ist. Das Schild hebt sich mit dieser Umrandung deutlich von einer fast schwarzen Kreisfläche ab, welche ein grüner Lorbeerkranz einfasst. Die anderen drei sind Bestandteile des großen Brandenburgischen Wappens (Westen: Askanier; Norden: Hohenzollern; Osten: Pommern) und verkörpern einzelne Grafschaften. Die den Wappen seitlich dargestellten Motive weisen, dem Kompositionsprinzip der Groteske folgend, eine symmetrische Anordnung auf.

Einen besonderen Blickfang bilden die, das Wappen des Herzogs Julius mit dem braunschweigischen Welfenlöwen flankierenden Totenschädel, Laternen und Cherubimköpfchen (Engelsköpfchen) in der südlichen Gewölbekappe. Als weitere auffällige Details sind u.a. gedoppelte Schlangen, Flusskrebse, einhenklige Vasen, gefasste Edelsteine, ein Granatapfel, an Schnüren hängende Schelten, flatternde Bänder sowie ein Phönix aus der Asche zu nennen.

Von den Malereien der drei Schildbogenwände im Westen, Norden und Osten haben sich nur noch Reste erhalten. 1906 konnten noch die Namen der christlichen Tugenden ,,Glaube, Liebe, Hoffnung“ entziffert werden. Die einzige Schildbogenwand, deren Malereien sich nahezu vollständig erhalten haben, ist die im Süden über der Fensterlaibung. Die Malereien lassen eine Nereide (Meerjungfrau) links und den Triton (Meeresgott) rechts erkennen, deren Flossen in einem Arabeskenbouquet in einer Bleivase enden. Des Weiteren finden sich hier zwei Schlangen, die sich um Pflanzenstängel winden, sowie in den unteren Gewölbeecken zwei Eichhörnchen in ihren Nestern.

Die anschließende Fensterlaibung ist von Beschlagwerk und Baldachin-Ornamentik überzogen. Im Zentrum der Deckenfläche befindet sich eine Justitia mit mit Richtschwert und Waage, als Erinnerung an die seit Jahrhunderten ausgeübte niedere Gerichtsbarkeit der Welfenherzöge. Die Malweise wirkt hier wesentlich konturenschärfer, das Blattwerk spärlicher und zugespitzter als im Kreuzgratgewölbe. Es stehen sich hauptsächlich kalte und warme Farbtönen gegenüber.

Beim genauen Vergleich der Malereien im Zentrum des Turmzimmers und der Fensterlaibung werden unterschiede in der Malweise und in den Farben sichtbar. Dies deutet darauf hin, dass mindestens zwei Maler in Hessen aktiv waren. Vermutlich war einer der Meister der niederländisch-flämische Maler Hans-Vredemann de Vries (1527-1606). Seit 1587 arbeitete er für Herzog Julius in Wolfenbüttel und in Hessen.

Die genaue Entstehungszeit und der Grund für die Ausführung der Groteskenmalereien sind umstritten. Vermutlich entstanden sie nach Herzog Julius‘ Tod 1589 und wurden von seiner Frau Hedwig in Auftrag gegeben.

Südflügel

Der Kernbau des Südflügels stammt aus dem 14. Jahrhundert. Durch die Umbauten des 16. und 18. Jahrhunderts ist der erhaltene Bestand kernbauzeitlicher Bausubstanz nur schwer zu ermessen. Es ist davon auszugehen, dass die Außenwand des Flügels noch einen Teil der Ringmauer beinhaltet. Auf seinen mittelalterlichen Ursprung weist auch ein gotischer Bogen im 2. Obergeschoss als Durchgang zum Turm hin.

Der Südflügel wird durch eine deutlich erkennbare Baufuge vom Turm getrennt (siehe Abb. Seite 30). Ähnlich wie bei der Baufuge zwischen dem Turm der Unterburg und dem Torhaus, handelt es sich auch hier um eine reine Setzungsfuge um den gewaltigen Baumassen des Turmes gerecht zu werden. Der Turm und der Südflügel sind im Kern zur gleichen Zeit entstanden.

Im 16. Jahrhundert waren im Südflügel, wie auch im Nordflügel, die Zimmer mit „schöner Aussicht“ – die Gästezimmer für Durchreisende von adligem Stand – untergebracht. Die Gäste konnten von hier aus den Blick auf die Küchenteiche und das Harzpanorama genießen. Unter Herzogin Elisabeth entstand im Südflügel ein Bereich mit beheizbaren Bädern.

Nach der Errichtung des Westflügels 1565 diente das Untergeschoss des Südflügels als Bierkeller. Dieser war durch eine durch den Turm führende Bierleitung mit der Brauerei im Westflügel verbunden.

Hofseitig befindet sich in der nordöstlichen Ecke des Südflügels ein runder Treppenturm. Obwohl dieser direkt an den Ostflügel angrenzt, war er den Räumen des Südflügels zugeordnet. Im ersten Geschoss gab es jedoch einen später vermauerten Zugang vom Ostflügel zur Treppe. Im Gegensatz zum Treppenturm und der Treppe selbst, die aus der Renaissancezeit stammen, sind die Fensteröffnungen und das Portal hier im 18. Jahrhundert neu angelegt worden. Im Bauregister von 1534-38 ist nachzulesen, dass dieser Treppenturm mit Schiefer gedeckt und das Portal eingesetzt wurde.

Auf dem Merian-Stich von 1654 sind über der Südfassade des Südflügels vier große, zweigeschossige Ziergiebel mit Volutengiebeln zu erkennen.

Arkaden (Loggia)

Vor dem Turm der Oberburg befinden sich auf der Hofseite zwei übereinander angeordnete Bogenstellungen einer Loggia. Sie zeigen jeweils einen Korbbogen aus Bossenquadern über Pilastern und stellen die Verbindung vom Treppenturm in der südwestlichen Ecke des Hofes und dem Südflügel her. Im 2. Obergeschoss befand sich über den Bogenöffnungen eine gerade, mit einer Holzkonstruktion überdeckte weitere Loggia. Diese Arkaden wurden errichtet, um einen Übergang vom Südflügel zum neu entstandenen Westflügel durch den Treppenturm zu ermöglichen und um die nach dem Bau des Treppenturmes entstandene Baufuge zu schließen. Treppenturm und Loggia sind als bauliche Einheit zu begreifen.

Im 16. Jahrhundert wurde die Loggia von den Herzögen auch dafür genutzt, um Theateraufführungen im Innenhof beizuwohnen.

Ostflügel

Nordostansicht der Oberburg Schloss Hessen

Auch der Ostflügel der Oberburg ist in seinem Kern mittelalterlich. Wie im Südflügel sind seine ursprüngliche Gestalt und Nutzung durch mehrfache Umbauten und -nutzungen nicht mehr nachzuvollziehen. Sichere Quellen existieren für diesen Bau erst ab dem 16. Jahrhundert. Der Ostflügel barg im Hocherdgeschoß im 16. Jahrhundert die Schlosskapelle, über der sich im ersten Obergeschoss das „Grüne Gemach“ befand. Dieses Gemach ist in der Raumkubatur und Resten der Farbfassung noch erhalten. Allein von der Bezeichnung her ist zu vermuten, dass sich im Ostflügel die Räume der Herzogin befanden. Dies ist für das im ersten Obergeschoss gelegene Gemach mit Vorraum sowie der „Jungfern Stube” mit Kammer und für die Zimmer im zweiten Obergeschoss auch überliefert (Küche, Kleiderkammer, Schlafkammer und Bad). Interessant ist hier die Herausbildung einer Raumfolge, die an französische Appartements erinnert. Die Hoffassade des Ostflügels zeigt Portal- und Fensteröffnungen aus dem 16. und 18. Jahrhundert.

Schlosskapelle

Im Hocherdgeschoss des Ostflügels befand sich die 1344 erstmals erwähnte Schlosskapelle. Bei der Hessener Burgkapelle handelte es sich um eine lediglich eingeschossige Saalkirche. Sie erstreckte sich nicht über die gesamte Länge des Flügels, sondern nahm nur einen Teilabschnitt ein, welcher vermutlich von dem ursprünglichen Kapellen-Portal bis zur südlichen Außenwand reichte. Ein deutlicher Hinweis auf die ehemalige Kapelle sind, in der Hoffassade des Ostflügels, die heute vermauerten, großen Rundbogenfenster.

1654 ließ Herzog August der Jüngere (siehe Seite 43) das reich gestaltete Hofportal für den Kapelleneingang errichten. Als ursprüngliches Kapellenportal fungierte vermutlich die vermauerte Rundbogentür neben dem Portal mit einer Datierung von 1654. Möglicherweise bestand die Absicht, das Schloss auch weiterhin als fürstlichen Wohnsitz zu belassen. In der Folgezeit begann jedoch das fehlende Interesse der Braunschweiger an ihrem Schloss in Hessen und der Verfall.

Im 19. Jahrhundert wurde mit der Verfüllung der Schlossgräben auch der Bereich der Schlosskapelle vollständig umgebaut.

Nordflügel

Das „Alde Hauß“, welches an der Stelle des späteren Nordflügels bestand, geht in seinem Ursprung ebenfalls auf das 14. Jahrhundert zurück. Darauf weist ein noch erhaltener Eingang mit gotischem Bogengewände in der hofseitigen Ecke zwischen Nord- und Ostflügel hin. Ob dies der einstige Standort des Gewändes ist, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr geklärt werden.

Im Zuge der Instandsetzungsarbeiten der Jahre 1534-38 wurde der mittelalterliche Bau abgerissen und ein neuer Nordflügel mit Fachwerkaufbau im Stile der Renaissance errichtet. Der Nordflügel wird im Bauregister von 1534-1538 als “Nawe hause darin der Windelstein und Hoffestuben” beschrieben. Er wurde in den Jahren 1971/72 abgetragen und ist heute nur noch in Fragmenten erkennbar.

Der Flügel beinhaltete über einem gewölbten Wein- und Bierkeller im Souterrain ein Hocherdgeschoss mit Wohngemächern und der Kanzlei. Darüber befanden sich die Hofstube sowie vermutlich auch Gästezimmer. Weiterhin ist innerhalb des Nordflügels ein „Roter Saal“ bezeugt.

Am Ostende des Nordflügels befand sich im Übergang zum Ostflügel die sogenannte Silberkammer, wobei die Lage dieses Raumes im Kellergeschoss oder im Hocherdgeschoss nicht klar zu benennen ist. Die Nähe zur Schlosskapelle erklärt sich dadurch, dass hier die liturgischen Gerätschaften für den Gebrauch in der Schlosskapelle gelagert wurden.

Altan (Pavillon)

Der Zeitpunkt der Entstehung des Altans an der Südostecke der Oberburg ist in die Jahre nach 1582 einzuordnen, da er im Inventar dieses Jahres noch nicht erwähnt wurde – mit Sicherheit jedoch noch in die Regierungszeit von Herzog Julius der 1589 verstarb.

Der Altan springt um jeweils eine (Doppel-)Fensterachse deutlich als eigenständiges Bauteil vor und verdeckt die Süd- und Westfassade auf einer Breite von jeweils etwa 4 m. Mit Entstehung des Altans mussten einige Durchgänge in den Ostflügel neu angelegt werden.
Ursprünglich bestand der Anbau aus einem tonnengewölbten Keller, zwei massiv gemauerten Obergeschossen und einem hölzernen, seitlich offenen Aufbau. Dieser, wie eine Pergola angelegte Aufbau bedeckte nur den vorderen Teil des Altans und endete an der Fassade des Ostflügels. Ein flaches Zeltdach schützte den Besucher vor der Witterung. Von diesem Geschoss aus bot sich nach Süden, Osten und auch nach Norden, in Richtung Garten, ein freier Blick in die Landschaft. Nördlich anschließend an den Aufbau erhob sich der Turmaufsatz der Treppe mit einem Zwiebeldach, durch den man die Aussichtsebene betrat.

Der Altan wurde offensichtlich zu Wohnzwecken (vermutlich für Gäste) errichtet, da er im ersten und zweiten Geschoss heizbar war und einen Abort (mit in der Außenwand eingelassenem Schacht) im zweiten Geschoss enthielt. Der direkte Ausgang zum Garten, mit einer zum Wall führenden Brücke, wurde erst nach der Bestallung von Johann Royer (siehe Seite 51) eingerichtet. Als Hofgärtner diente ihm der Altan als Wohnung. In den 1950er Jahren wurden die Räumlichkeiten für Unterrichtszwecke einer Berufsschule genutzt.

Das Aussichtsgeschoss über dem Altan erwies sich als nicht witterungsbeständig und wurde im 18. Jahrhundert abgebaut. Stattdessen erhielt der Bau unter Korb, dessen Ansicht nach die Holzkonstruktion für hiesige Klimaverhältnisse ungeeignet war, ein neues Walmdach. Heute ist der Altan zwar erhalten, der hölzerne Aufbau sowie der Aufsatz der Treppe fehlen jedoch und einige Fenster sind vermauert.

Der Fürstlich Braunschweigische Garten zu Hessen

Nach der architektonischen Blüte des Hessener Schlosses im 16. Jahrhundert begann kurz nach 1600 das botanische Aufleben. Der Grundstein für den Renaissance-Lustgarten wurde bereits in den 1530er Jahren unter Herzog Heinrich d.J. gelegt. Während der Bauphase von 1535-38 plante er bereits die Anlegung eines Gartens nördlich der Oberburg. Die Blütezeit des Renaissancegartens begann allerdings erst nach der Bestallung des Hofgärtners Johann Royer im Jahr 1607 durch Herzogin Elisabeth.

Den Hauptteil des Gartens bildeten elf gleich große Quartiere mit unterschiedlicher Gestaltung. Über ein rechtwinkliges Wegesytem wurde die Anlage erschlossen. Laubengänge und ein Wall im Osten grenzten das Areal ab. Die einzelnen Quartiere, wie auch die Wege auf dem Wall, waren mit Hecken umgeben. Dafür wurden verschiedene fruchttragende, wie auch duftende Pflanzen verwendet. Überliefert sind: Rosen, Wacholder, Cornelbeeren (Kornelkirschen), Reinweide (Liguster) und Johannisbeeren. Die dem Schloss zugewandten Seiten waren mit einem ornamentreichen Bindewerk versehen, das sowohl figürliche als auch heraldische Gestaltungelemente enthielt. Die Verbindung zum Schloss wurde über eine Zugbrücke vom Altan zum Wall hergestellt.

Das augenfälligste Quartier war das Brunnenquartier. Ein fünfschaliger Metallbrunnen der auf zwei steinernen Umläufen mit Wasserspielen ruhte, bildete das Zentrum. Er wurde von Herzog Heinrich Julius für seine Frau Elisabeth Anfang des 17. Jahrhunderts von Augsburger und Regensburger Kaufleuten erworben. Den Brunnen zierten mehrere Bronzefiguren aus der Tierwelt und der Mythologie. Gekrönt wurde das Meisterwerk Augsburger Bronzegusses von einem springenden Hirsch auf der Spitze des Brunnens. Einige Figuren (Löwe, Stier, Pferde, Elefanten, Hunde, Affen, Hirsch) sind noch heute erhalten und sind u.a. im Herzog Anton Ulrich-Museum in Braunschweig und im Rijksmuseum in Amsterdam zu besichtigen.

Die Verbundenheit von Herzogin Elisabeth zu ihrem Elternhaus, dem dänischen Königshaus, spiegelte sich auch in der Gartengestaltung wieder. Das Wappenquartier in zentraler Lage, zeigte das braunschweigische und das dänische Hoheitszeichen nebeneinander. Direkt an dieses Quartier grenzte eine künstliche Grotte mit einem Wasserspiel. Darin wurde die Geschichte von Diana und Aktäon erzählt. Lebensecht bemalte Steinfiguren zeigten Diana mit ihren Nymphen beim Bade. Beobachtet wurden sie dabei von dem Jäger Aktäon.

Im Westen und Norden war der Lustgarten von fünf Teich-Hellern (Hälterungsbecken) umgeben. Darin wurden die aus den Teichen, südlich des Schlosses, gefangenen Fische bis zum Verbrauch gehalten. Der Name des durch den Park fließenden Baches, Hellergraben, erinnert noch heute daran. Über eine Brücke im Westen war der Lustgarten mit dem Küchengarten verbunden. Darin wurde zum Bedarf des Hofes Gemüse und andere Nutzpflanzen angebaut. Im Küchengarten befand sich ein „Pomeranzenhaus“, das im Winter mit einem Dach versehen wurde und beheizbar war – ein Vorläufer einer Orangerie. Hier wurden die ausländischen und empfindlichen Pflanzen, wie Zitronenbäumchen, Feigen, Granatäpfel oder Oliven aufbewahrt.

Weiter nördlich schloss sich der Baumgarten an. Dort wuchsen etwa 500 Obstbäume unterschiedlicher Sorten. Darunter waren ca. 30 Apfel- und 30 Birnensorten.

Heute deutet nichts mehr auf den einst prachtvollen Lustgarten hin. Das Areal wird vollständig von einer Wiese überdeckt. Im Osten durchschneidet eine, schon seit Jahrzehnten ungenutzte, Bahnstrecke voller Wildbewuchs das Gelände. Der Burggraben und die Heller-Teiche sind nur noch zu erahnen. Rudimentär lassen sich noch Anzeichen der Wasserläufe und deren Ausmaße erkennen. Auf dem Luftbild von 1939 (s. Seite 8) sind der Lustgarten und die Lage der Quartiere zueinander noch in Fragmenten zu deuten.

Im Jahr 2008 fanden an verschiedenen Stellen des ehemaligen Lustgartens archäologische Suchgrabungen statt. Dabei wurden Reste der ehemaligen Burggrabenmauer, der einstigen Mühlengrabenbrücke und der genaue Standort des großen Zierbrunnens gefunden. An der östlichen Seite des Hellergrabens konnte eine Uferbefestigung aus Eichenbohlen festgestellt werden. Ebenfalls wurden die Verläufe eines Querweges, wie auch des westlichen Laubenganges nachgewiesen.

Der ehemalige Fürstlich Braunschweigische Lustgarten in Hessen stellt einen kulturhistorischen Schatz von europäischem Rang dar. Seine Rekonstruktion würde einer botanischen Sensation gleichkommen. Allerdings liegt dieses Ziel in weiter Ferne und bedarf großer Anstrengungen von allen Seiten. Sollte es jedoch irgendwann erreicht sein, würde auf Hessen wieder ein ganz besonderes Augenmerk liegen.

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