Kloster Ilsenburg

Landkreis Harz

Geografische Lage

Das Kloster Ilsenburg verdankt seine in verschiedener Hinsicht äußerst günstige Lage dem Erbauer der ehemaligen Jagdpfalz Ilsenburg, der diese nicht nur so anlegte, dass sie leicht zu verteidigen war, sondern auch leicht vom Kaiser erreicht werden konnte. Die Jagdpfalz diente gleichzeitig als Ausgangsort der königlichen Jagden in diesem Gebiet und als Schutz des umliegenden Forstes. Hieraus ergab sich die Anlage einer Höhenburg, welche wir in der ehemaligen Jagdpfalz Ilsenburg (Elysinaburg) auch tatsächlich vor uns haben. Sie wurde am Steilhang der unteren Ilse angelegt, auf einem nach drei Seiten hin abfallenden Bergufer. Nur eine Seite brauchte somit stärker gesichert zu werden.

Neben dieser landschaftlich bedingten sicheren Lage zeichnete sich die Burg und dementsprechend später auch das Kloster, das auf deren Gelände erbaut wurde, durch eine für den Verkehr geradezu ideale Lage aus. Die Elysinaburg sicherte zusammen mit der Wasserburg Veckenstedt den strategisch wichtigen Gebirgseinschnitt des Ilsetales, der sich in südlicher Richtung durch das Harzmassiv zieht und dadurch eine besondere Bedeutung erhält.

Noch wichtiger war der Schutz der Kreuzung zweier bedeutender Handelsstraßen in Wasserleben. Dort schneidet die in West-Ost-Richtung von Goslar kommende und nach Halberstadt weiterführende Heerstraße die von Süden nach Norden verlaufende Handelsstraße, die, von Nordhausen kommend, Wernigerode passiert und nach Norddeutschland weiterführt. Sie war die einzige Straße, die den Harz durchquerte, und besaß dementsprechende Bedeutung. So finden wir sie auch dicht mit Schutzburgen besetzt. An der Südseite des Harzes in der Nähe von Nordhausen liegen zum Beispiel dicht beieinander die Burgen Hohnstein, Heinrichsburg, Ebersburg und Ilfeld, während sich am nördlichen Austritt der Straße die Stadtburg Wernigerode befindet, etwas nördlicher dann die Ilsenburg und schließlich nahe der Kreuzung die Wasserburg Veckenstedt. Die Ilsenburg selbst schützte speziell den Straßenabschnitt zwischen Wernigerode und Stapelburg im Verkehrsnetz zwischen Goslar und Halberstadt.

Die Nähe der Kunstzentren Quedlinburg, Halberstadt, Goslar und Königslutter war für Ilsenburg von großer Bedeutung. Im Rahmen des Harzgebietes, als eines der bedeutendsten Kunstzentren Europas, bekam Ilsenburg den Anschluss an die internationale Spitze.

Zur Geschichte der kaiserlichen Jagdfalz Ilsenburg

(Elysinaburg)

Durch eine Urkunde aus dem Jahr 995 wurde der Nachwelt mitgeteilt, dass der damalige Kaiser Otto III. in der Ilsenburger Gegend weilte und sich höchst wahrscheinlich auch in der Burg, welche sich an der Stelle des späteren Schlosses befand, aufhielt. Diese Erwähnung Ilsenburgs ist der erste urkundliche Beleg einer Siedlung die zu damaliger Zeit noch Elysinaburg (Elysina – Eicheln) hieß. Die Gründungszeit einer solchen Burg ist schwerlich nachzuprüfen. Ob sie in der Herrschaft von Heinrich I. (919-936) anzusiedeln ist oder noch weiter zurück liegt, lässt sich leider nicht mehr prüfen.

Ein Begleiter Ottos war sein Kaplan, der Bischof Arnulf von Halberstadt. Dieser erbat sich um das Jahr 998 zur Gründung eines Benediktiner-Mannsklosters vom Kaiser, dem Halberstädter Bischofsstuhl die Jagdpfalz mit allem Besitz zu schenken. Da der Kaiser jung verstarb, bevor die beabsichtigte Schenkung verbrieft war, wurde diese von seinem Nachfolger König Heinrich II. am 15. Mai 1003 vollzogen. Im Jahre 1009 war das nach der strengen Ordnung von Fulda eingerichtete Kloster in Stand und Wesen. Erst seit dieser Zeit können wir von der Existenz des Ilsenburger Klosters sprechen. Neun Jahre später, am 6.April 1018 wurde es auch von seinem Gründer mit liegenden Gütern und Zehnten ausgestattet.

Die einstigen Bewohner der Pfalz mussten dieselbe verlassen und siedelten sich auf dem Ilsestein an, wo sie sich ein schwer zu eroberndes Raubnest, die Burg Ilsestein, schufen. Von hier aus bekriegten sie bald heftig das Kloster, und fügten ihm schweren Schaden zu. Ihre Burg konnte erst nach längerer Zeit und mit Hilfe starker Verbündeter zerstört werden.

Wie die Entwicklung des Klosters in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts verlief, ist nur sehr wenig bekannt. Auch der bauliche Bestand reicht nicht so weit zurück. Bekannt ist, dass im Zuge der Umbauten der Jagdpfalz zu einem Benediktiner-Mönchskloster eine erste Kirche errichtet wurde, die jedoch in ihren Ausmaßen noch nicht mit der späteren St.Peter und Pauls Kirche, deren Reste bis heute erhalten blieben, zu vergleichen war.

Die erste Stiftung dieses Klosters hatte nicht lange bestand. Durch ihre eigenen Vögte wurde sie gegen die zweite Hälfte des 11.Jahrhunderts befehdet und innerlich wie äußerlich im Verlaufe von nur wenigen Jahrzehnten zugrunde gerichtet. Für die Weiterführung des Klosters machte sich eine Reformierung der Klosterbewohner dringend notwendig.

Die Reform wurde der erste Verdienst Bischof Burchards II. von Halberstadt. Dieser, allgemein nur Buko von Halberstadt genannt, führte am Anfang der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ein strenges Ordensregiment ein und ermöglichte gleichzeitig den Bau einer neuen, größeren Kirche, jene Kirche, deren imposante Reste heute noch stehen. Burchard II. von Halberstadt wurde somit zum wirklichen Begründer des Ilsenburger Klosters. Er ließ nicht nur auf eigene Kosten die Kirche erbauen, sondern beschenkte das Kloster auch reichlich mit Gütern und Rechten aller Art, so dass es bald einzig dastand und dank seiner ökonomischen Machtbasis einen sehr beachtlichen Einfluss auf das politische und kulturelle Leben des Harzraumes ausübte.

Der Einfluss des Klosters machte sich besonders während der Jahre des Investiturstreites geltend. Im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen Papst- und Kaisertum vertrat es die Interessen des Papstes, obwohl es doch eigentlich seine Entstehung der Großmut des Kaisers zu verdanken hatte.

Burchard II. von Halberstadt, der anfangs ein treuer Anhänger und enger Freund des Kaisers gewesen war, wurde bald zu dessen erbittertem Gegner. Als einer der maßgeblichen sächsischen Anführer wurde er am 5. April 1088 bei einem Aufruhr in Goslar schwer verwundet. Man brachte ihn nach Ilsenburg, in seine Lieblingsstiftung, wo er am folgenden Tage starb und kurz darauf im Chor der neuerbauten Klosterkirche beigesetzt wurde.

Noch im Jahre 1060 hatte er seinen Neffen Herrand aus Würzburg nach Ilsenburg als Abt berufen, ein Beweis für die große Bedeutung, die er dem neu geschaffenen Kloster beimaß. Herrand wurde Abt im Kloster und führte in der Praxis die von Burchard angestrebte Reform durch. Er leitete das Kloster etwa von 1070 bis 1090. In diese Zeit fällt auch der Neubau der Klosterkirche (1078-1087).

Herrand war ebenfalls aktiver Verfechter der antikaiserlichen Linie im Investiturstreit und mußte demzufolge einige Male aus Ilsenburg fliehen. In Rom wird er vom Papst Urban II. persönlich empfangen und ,,als Märtyrer und Leidensträger” mit dem Beinamen Stephanus geschmückt. Im Jahre 1090 wird er zum Bischof von Halberstadt geweiht. Noch kann er jedoch nicht zurückkehren. Er wendet sich deshalb nach dem Kloster Reinhardtsbrunn in Thüringen, das er im Jahre 1097 einweiht und wo er auch am 22. November 1101 stirbt.

Wie ihr Abt mußten die Ilsenburger Mönche mehrmals das Kloster verlassen, da sie nicht auf die Seite des Kaisers übertreten wollten, der lange Zeit hindurch im Bistum Halberstadt die Oberhand besaß. So werden die Mönche zwar 1096 nach ihrer ersten Flucht von Herrand wieder in das Kloster zurückgeführt, müssen aber im Jahre 1100 schon wieder auswandern. Sie wenden sich diesmal nach dem Kloster Harsefeld, wo sie bereitwilligst aufgenommen werden. Dies verdankten sie nicht zuletzt ihrem guten Ruf. Fünf Jahre später finden wir sie wieder in Ilsenburg. Ein Bruder Martin wird zum Abt gewählt, und mit päpstlicher Hilfe lassen der Landgraf Ludwig der Springer und der Erzbischof von Magdeburg  den  Ilsestein zerstören. Außerdem erhält das Kloster alle verlorengegangenen Rechte und Besitzungen zurück. Damit ist endlich nach all den Jahren des Kampfes und Niederganges ein fester Grund zu einem neuen Aufstieg gelegt.

Vorerst erhält dieser Aufstieg jedoch noch einen Rückschlag. Ein Brand vernichtet im Jahre 1120 fast das gesamte Kloster mit Ausnahme der Kirche. Einige Jahre früher hätte dies vielleicht das Ende des Klosters bedeutet, doch in der jetzt angebrochenen Periode des Wiederaufstiegs bedeutete der Brand nur eine Episode. Unter Abt Martin wurde es wieder aufgebaut, und trotz der enormen Kosten, die dadurch dem Kloster entstanden, konnte Martin sogar darangehen, die Bibliothek zu vergrößern. Das Kloster besaß damals einen bedeutenden Grundbesitz.  So gehörten ihm im Jahre 1018 allein 67,5 Hufen Land (etwa 2000 Morgen) sowie der Zehnte von 16 Ortschaften. Bis 1088 kamen noch 80 Hufen dazu, und 1136 bestätigte der Papst Innocenz II. einen Grundbesitz von 4410 Morgen neben großen Waldungen und dem Zehnten von 26 Ortschaften. Zu diesem Besitze kamen noch eine Reihe von besonderen Vorrechten, die den Ilsenburger Äbten vom Papst verliehen worden waren. Diese Rechte hoben die Äbte teilweise auf die Rangstufe eines Bischofs. So ist unter anderem das Siegel der Äbte von Ilsenburg im 14. Jahrhundert dem Siegel eines Bischofs sehr ähnlich. Schließlich besaß das Kloster auch einen beträchtlichen Reichtum an Kirchenzierat und sonstigen Kleinodien.

Solche sind immer wieder in den Urkunden erwähnt, doch ist uns nichts erhalten geblieben. Vor allem die Wirren des Bauernkrieges und des Dreißigjährigen Krieges haben diese Bestände vernichtet. Das trifft in besonderem Maße auch auf die Bibliothek zu, die heute vollständig zerstreut ist.

Dagegen sind die Klosterbauten des 12. Jahrhunderts im Wesentlichen erhalten geblieben. So der von Abt Sigebodo (gest. 1161) erbaute Südflügel der neuen Klosteranlage und der unter Abt Thioter zwischen 1161 und 1176 erbaute Ostflügel. Die Klosterkirche musste sich am Ende des 11. Jahrhunderts einen größeren Umbau gefallen lassen, der ihr äußeres und inneres Gesicht stark veränderte. Das Klosterleben, die Zucht und Sitte der Mönche erlitt um 1200 einen erneuten Tiefstand. Während des Krieges zwischen den Gebellinen und den Welfen waren die Mönche teilweise so ungebärdig, daß einer ihrer Äbte freiwillig auswanderte. Wieder ist eine Blütezeit des Klosters überschritten. Eine Zeit, in der es sein teilweise noch heute erhaltenes bauliches Gepräge bekam und seine Bedeutung als eines der ersten Klöster des Harzraumes festigte. Dazu gehörte auch sein nicht unwesentlicher Einfluss auf eine Reihe von Klöstern und Pfarrstellen in ganz Deutschland, so unter anderem auf die Klöster Huyseburg, Harsefeld, Hillersleben, Wimmelburg, Braunschweig St.Egidien und Reinhardtsbrunn in Thüringen.

Der Ort Ilsenburg selbst entwickelte sich allmählich um die Jahrtausendwende aus den Hörigen, die vor den Mauern der Reichsburg und des Klosters ansässig wurden.

Das Kloster in der Zeit vom 13. bis zum 16. Jahrhundert

In den nun folgenden Jahrhunderten stieg und sank die Bedeutung und der Wohlstand des Klosters, je nachdem ob es friedliche oder kriegerische Zeiten zu überbrücken galt. Im 13. Jahrhundert erreichte es noch einmal seine frühere Größe. Die kulturelle Ausstrahlung in dieser Zeit beweist unter anderem eine um 1220 zu datierende, mit ,,eigentümlichen figürlichen Initialen“ verzierte Josephushandschrift aus der Klosterbibliothek, die einer der Bibliothek angeschlossenen Werkstatt entstammt, welche keinen geringen Ruf besaß. Der Einfluss des Klosters auf das kirchliche Leben im Harzraum muss um diese Zeit ebenfalls sehr bedeutend gewesen sein. Erwähnt sei hier nur die Einrichtung einer Ilsenburger Propstei in dem Nonnenkloster Abbenrode im Jahre 1255 und eine Bemerkung des Wernigeröder Archivars Dr. E. Jacobs, der in der Einleitung zu seinem Ilsenburger Urkundenbuch feststellt: „Im Verhältnis wohl noch weit mehr als durch Besitz und Reichtum ragte Ilsenburg durch Ansehen und geistige Bedeutung vor allen Klöstern Ostsachsens hervor . . . Dem entsprach denn auch die Stellung, die der Abt auf Synoden und bei allen sonstigen feierlichen Zusammenkünften einnahm. Fast ausnahmslos finden wir ihn hier bis zum Ende des 13. Jahrhunderts an der Spitze und vor allen ostsächsischen Äbten genannt . . . Drei seiner Äbte Ezib, Herrand und Lambrecht wurden zu Bischöfen gewählt.

Im 14. Jahrhundert erfolgt ein erneuter Niedergang. Ein Streit zwischen dem Kloster und den Grafen von Wernigerode hatte verhängnisvolle Folgen. Wie schon im 11. und 12. Jahrhundert mussten die Insassen des Klosters auswandern. Erst 1320 erfolgte die Aussöhnung und die damit verbundene Rückkehr der von den Grafen geraubten Güter. Neue Streitigkeiten bewirkten jedoch für die Folgezeit einen langsamen ständigen Verfall. Einige Urkunden des 15. Jahrhundert lassen nur eine geringe Besserung erkennen. So berichtet eine Urkunde von einem Privileg des Papstes vom Jahre 1452, nach dem die Ilsenburger Mönche am ,,Sonntag, Dienstag und Donnerstag Fleisch essen“ durften.

Die Unruhen reißen jedoch auch im 15. und 16. Jahrhundert nicht ab, sie nehmen im Gegenteil sehr bedrohliche Ausmaße an. Ilsenburg wird am 1.Mai 1525 von einem Bauernhaufen erobert und teilweise zerstört. Der dabei verursachte Schaden ist beträchtlich. Wie in Drübeck wurde die gesamte Nordseite der Kirche in Mitleidenschaft gezogen, so daß das Nordschiff später vollständig verschwand. Die herrliche Bibliothek wurde geplündert und teilweise vernichtet. Die Zerstörungen waren insgesamt gesehen so groß, daß sich das Kloster nicht wieder von ihnen erholen konnte, zumal wenige Jahrzehnte später neue Nöte begannen.

Bis zum Jahre 1549 setzt sich die Reformation durch. Am 28. Mai 1567 wird die evangelische Gemeinde gegründet. Kurz darauf, 1572, erlischt für das Kloster der Abtstitel, Graf Christoph zu Stolberg-Wernigerode übernimmt das Administrator die Leitung. Er veranlasst 1573 den letzten großen Umbau der Klosterkirche und greift als letzter Bauherr entscheidend in ihren baulichen Bestand ein. Dabei wird die heute noch bestehende, das Langhaus, das Querhaus und den Chor nach Norden abschließende, Mauer eingezogen, die südliche Hochschiffwand erniedrigt, das Chorpolygon errichtet und schließlich die Turmanlage reduziert. Das Ganze dauert bis zum Jahre 1581. 1626 wird die 1547 gegründete Klosterschule geschlossen, womit die letzte kulturelle bzw. lehrhafte Funktion des Klosters erlischt.

Das gräfliche Schloss Ilsenburg

Kloster und Schloss lassen sich nicht so ohne weiteres voneinander trennen, die Geschichte des Klosters geht in die des Schlosses nicht schlagartig über, sondern beider Geschick ist wechselseitig miteinander verbunden. Bereits 1609 hatte Graf Heinrich zu Stolberg-Wernigerode in dem Kloster einen herrschaftlichen Wohnsitz eingerichtet. Dies konnte er tun, da das Kloster mit seinen Ländereien in den Besitz der Grafen übergegangen war. Seit 1621 diente der Wohnsitz als gräfliches Schloss und war zeitweise Witwensitz einer Gräfin von Mansfeld, die 1625 starb. Von 1650 bis 1710 wurde das nunmehrige Schloss als gräflicher Hofhaltersitz verwendet. Mehrmals ging indessen das Anwesen den Grafen verloren, so bereits am Ende des 16. Jahrhunderts, als es infolge einer Schuldverschreibung in den Besitz des Junkers Staz von Münchhausen geriet, der es von 1601-1608 als Pfandbesitz gegen eine Schuld von 5100 Thalern ausbeuten konnte. In dieser Zeit wurde das Anwesen fast ruiniert. Viel Eigentum ging verloren. Im Verlaufe der Gegenreformation wurden die Grafen für eine Reihe von Jahren gewaltsam aus Ilsenburg vertrieben. Nach den schweren Jahren am Anfang des 17. Jahrhunderts folgten mit den Drangsalen des Dreißigjährigen Krieges noch weit schlimmere. Die Pest wütete 1625 in Wernigerode. Für die Zeit von 1629 bis 1631 wurde Ilsenburg gewaltsam wieder mit katholischen Mönchen besetzt.

Rudolf Joachim von Camphausen, Abt zu Berge vor Magdeburg, wurde von den siegreichen Katholiken als Administrator eingesetzt und führte in den wenigen Jahren seiner Herrschaft ein wahres Schreckensregiment. Was von den Klostergütern bisher die Zeiten überdauert hatte, wurde nun requiriert und beiseite gebracht. Den Rest besorgten dann die Tillyschen Truppen, die auf der Flucht vor den Schweden im September 1631 nicht nur Ilsenburg, sondern auch Langeln, Reddeber und Minsleben plünderten. Am 14. November nahm Graf Heinrich Ernst Ilsenburg wieder in seinen Besitz.

In den Jahren von 1648-1710 befindet sich der Wohnsitz der Grafen meistenteils in Ilsenburg, obwohl  das Wernigeröder Schloss bereits 1671-76 zum Barockschloss umgebaut worden war. Erst 1710 diente dieses wieder als ständiger Aufenthaltsort. Im 19. Jahrhundert widmen die Grafen dem Ilsenburger Kloster bzw. Schloss erneut größere Aufmerksamkeit. Graf Bot errichtet 1862 an der West- und Nordseite der Klosteranlage einen neuen Schlossbau im neoromanischen Stil, den sogenannten Botho-Bau.

Die Baubeschreibung der Klosteranlage

Die Gesamtanlage des Klosters

Der Gesamtkomplex des heutigen Ilsenburger Schlosses lässt sich in seinem Baubestand leicht in zwei einander sehr verschiedene und jeweils für sich eine architektonische Einheit bildende Gebäudekomplexe unterscheiden. Das eine, dem Auge des Betrachters zuerst auffallende Ensemble wird durch die neoromanischen Gebäude des 1862 erbauten gräflichen Schlosses gebildet, das andere ist jenes des ehemaligen Klosters. Es ist weiter im Hintergrund der Gesamtanlage gelegen und wirkt längst nicht so aufdringlich wie die nach Romanik schreienden Schlossbauten, besitzt aber eine weit größere kunsthistorische und kulturelle Bedeutung. Beide Anlagen zusammen bilden eine seltsame Mischung von alter echter Romanik und neuen nachgeahmten, dabei aber schlecht verstandenen Formen. Zwei solche Komplexe in dieser engen Verbindung dürften wohl nicht so schnell wieder zu finden sein.

Diese auf den ersten Blick doch in Verbindung stehende Konstelation wurde in den 1960er Jahren durch eine wenig weitsichtige Baumaßnahme erweitert. Nördlich der Klosterkirche richtete die Stadt Ilsenburg auf brutalste Weise ein Freibad ein. Wie die gesamte Klosteranlage ist heute das Becken des Bades sich selbst überlassen und bedarf dringend baulicher Nachbesserungen. Zwar gingen mit dem Verkauf des neoromanischen Schlosses auch die Nebengebäude des Klosters in private Hand über, jedoch sind bisher nur am eigentlichen Schloß Erneuerungen festzustellen.

Um das Verständnis für die Bedeutung einer Klosteranlage zu erleichtern, seien hier einige allgemeine Bemerkungen über das Klosterwesen eingeflochten. Mönchische, klösterliche Bewegungen entstanden bereits in sehr früher Zeit im Orient. Das erste bedeutende abendländische Kloster, das zugleich einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des westeuropäischen Mönchtums genommen hat, war das von Benedikt von Nursia im Jahre 529 gegründete Kloster Monte Cassino in Italien.

Für das deutsche Klosterleben wurde besonders das Kloster von St. Gallen bedeutungsvoll, dessen Plan vom Jahre 820  erhalten  geblieben  ist  und uns einen genauen Einblick in das damalige Leben der Mönche gestattet. Das Wort Kloster leitet sich von dem lateinischen daustrum her, welches soviel wie ,,das Verschlossene“ bedeutet. Die Mönche wohnten abgeschlossen von der übrigen Welt, sie dienten Gott und lebten nach bestimmten Ordensregeln, die ihnen den Tages- und Jahresablauf genau vorschrieben. Felix Kaiser bemerkt in seiner ,,Werdezeit der abendländischen Kunst“: „Das geistige Leben des Mittelalters, das noch in hohem Maße nicht nur die Religion, sondern auch das wissenschaftliche und künstlerische Leben in innerer Einheit umfaßte, fand seinen ausschließlichen Mittelpunkt in der Kirche.“ Zum Bewahrer von Wissenschaft und Kunst aber machten sich in erster Linie die Klöster. In Klosterschulen und Bibliotheken entstanden Kunstwerke von einmaligem Rang, Elfenbeinschnitzereien, Buchmalereien und nicht zuletzt Gold- und Edelsteinarbeiten.

Aber auch in der Landwirtschaft übernahmen die Klöster die Führung, sie rodeten weite Gebiete und führten neue Formen des Ackerbaues ein, ihre Gewürz- und Arzneigärten werden noch heute gerühmt.

Ein Kloster der damaligen Prägung stellt eine in sich geschlossene wirtschaftliche und geistige Einheit dar. Dabei unterteilt es sich grob gesehen in den ökonomischen und geistigen Bezirk. Der ökonomische umfaßt alles das, was zur materiellen Existenz der Klosterinsassen unentbehrlich ist, wie Bäckerei, Mühle, Viehställe usw. Zum geistigen Bezirk gehören neben der Kirche die um den Kreuzgang gruppierten Gebäude, deren Anordnung genau vorgeschrieben ist. So befindet sich der Kreuzgang stets auf der Südseite der Kirche. Der östliche Klosterflügel beherbergt den Kapitelsaal1 und in seinem Obergeschoß das Dormitonum2. In Ilsenburg kommt im Erdgeschoß noch die Küche dazu. Das Refektorium3 befindet sich in Ilsenburg wie in St. Gallen im südlichen Klosterflügel, während das westliche Gebäude hier wie dort als Vorratshaus dient. Die notwendigen landwirtschaftlichen  und  handwerklichen  Arbeiten wurden im Kloster von den Laienbrüdern ausgeführt, nicht aber von den geweihten Mönchen, deren Wirken sich auf die geistliche Tätigkeit erstreckte und denen sogar ein ganzer Klosterbezirk, die sogenannte Clausur, allein vorbehalten war. Diesen Teil des Klosters durften nur sie betreten. Im 11. Jahrhundert, zur Zeit der Hirsauer, wurde diese Unterteilung der Mönche noch wesentlich komplizierter.

Die Kirche

Von der einstigen gewaltigen Größe und der Schönheit dieses hochromanischen Baues ist äußerlich nur noch wenig zu spüren. Die Außenansicht hat stark gelitten, die Westfassade mit ihren ehemals zwei Türen ist nur noch in Resten erhalten, wie auch das Querschiff und der Chor. Vom Langhaus fehlt das gesamte nördliche Seitenschiff. Will man sich trotzdem einen ungefähren Eindruck von der einstigen mitreißenden Gewalt dieses Baues verschaffen, muß man sich in das Innere des Langhauses begeben, wo noch heute die Majestät der erhalten gebliebenen südlichen Stützenreihe und die sich überrascht in die Länge ziehende Flucht des Mittelschiffes mit seinem Stufensystem den Betrachter in seinen Bann zieht. Das geschieht, obwohl die Höhe des Raumes stark reduziert wurde, das Querschiff so gut wie verschwunden ist und das nördliche Seitenschiff mitsamt der Stützenreihe einer einfachen groben Mauer weichen mußte.

Kunsthistorisch läßt sich die Ilsenburger Klosterkirche in die Reihe der hochromanischen, kreuzförmigen und dreischiffigen Basiliken mit einfachem Stützenwechsel (Pfeiler-Säule-Pfeiler) einreihen. Im Westen befand sich eine Doppelturmfassade, die dem sächsischen Typ entsprochen  haben muß, im Osten lag ein Querhaus, an das sich weiter östlich ein dreischiffiges Presbyterium1 anschloß. Alle drei Presbyterienschiffe endeten in halbrunden Apsiden2. Diese Choranlage, verbunden mit ihrer frühen Entstehungszeit, ist es vor allem, die Ilsenburg für die kunsthistorische Forschung interessant werden läßt. Dazu kommt ein eigenartiges System von Abtreppungen, das sich durch die gesamte Kirche hinzieht und den Fußboden von West nach Ost in vier Stufenanlagen um 1,40 m erhöht, ohne daß sich im Osten eine Krypta3 befunden hätte. Die Ilsenburger Kirche ist kryptenlos.

Die Ostanlage der Kirche

Das Presbyterium wird heute nach Norden und Süden von je einer Mauer begrenzt. An der Nordwand sind von innen nach außen deutlich die Umrisse zweier Arkaden1 zu verfolgen, die auf einem Pfeiler ruhen und die heute durch die später eingezogene Mauer verschlossen sind. Die Pfeilerbasis zeigt erstaunlicherweise einen achteckigen Grundriß und besteht von unten nach oben aus einer wuchtigen Platte, einer nachfolgenden Schräge und wieder einer Platte. Nach den Beobachtungen H. Feldtkellers soll der gesamte Pfeiler achteckig gewesen sein. Die Umrisse zweier Arkaden deuten sich ebenfalls auf der Südwand des Presbyteriums an. Wir haben es somit bei diesen Arkaden mit einer unmittelbaren Verbindung zwischen dem Chormittelschiff und je einem zugeordneten Chorseitenschiff  zu  tun.  Also  eine  dreischiffige Choranlage, deren Mittelschiff ein ungeteiltes Quadrat als Grundfläche besitzt und deren Seitenschiffe zwar der gesamten Länge des Mittelquadrates folgen, aber durch den Arkadenpfeiler unterteilt werden. Dr. Becker konnte bei seiner Ausgrabung 1932 die ehemalige Breite des südlichen Chorseitenschiffes im Fundament feststellen. Er wies außerdem eine Arkadenöffnung in der Ostwand des südlichen Querhausflügels nach, durch die einst eine Verbindung vom Querhaus zum südlichen Chorseitenflügel existiert haben muß. Damit ist, wenn man die Apsiden ausklammert, eine Rekonstruktion der Ostanlage ziemlich eindeutig gegeben. Dr. Becker schuf aber auch in dieser Frage Klarheit. Er bewies die lang gehegte These vom Vorhandensein halbrunder Apsiden.

Die ehemalige Ilsenburger Ostanlage kann nunmehr als eine dreischiffige Anlage definiert werden, die sich durch ein quadratisches Mittelschiff auszeichnet, dem wiederum zwei Chorseitenschiffe in voller Länge zugeordnet sind, die jeweils durch zwei auf einem Pfeiler ruhende Arkaden mit dem Mittelquadrat in Verbindung stehen und gleichzeitig durch den Arkadenpfeiler in zwei kleinere Quadrate unterteilt werden. Beide Chorseitenschiffe besaßen die gleiche Breite wie die Seitenschiffe des Langhauses, mit denen sie in Verbindung standen. Der  östliche Abschluß  des Presbyteriums  und  der Presbyterienseitenschiffe wurde durch drei ungleich fluchtende Apsiden gebildet.

Diese Anlage verleitete eine Reihe von Kunsthistorikern zu der These, Ilsenburg stehe in Beziehung zu Hirsau, Cluny bzw. Südfrankreich. Andere wiederum hielten eine solch vollendete Ostlösung für die Zeit um 1078-87 in Ilsenburg für unmöglich und datierten, wie es Gaul tat, den Chor später, oder wie es Dehio tat, gar die gesamte Kirche in das 12. Jahrhundert.  Für den Bau der Klosterkirche liegen aber Urkunden und Quellenforschungen vor, die  bestätigen, daß er in die Jahre 1078-87 gehört. Jacobs schreibt in seinem Ilsenburger Urkundenbuch unter anderem: ,,Nach neunjähriger Arbeit stand das Werk vollendet da und der Bischof vollzog am 5. Juni 1087 die feierliche Weihe.“ Die Quellen und der Baubestand widerlegen die Auffassung Dehios, der den Bau in das 12. Jahrhundert versetzt.

Wenn das Presbyterium derselben Bauphase entstammt wie das Langhaus, dann muß zwischen beiden ein enger architektonischer Zusammenhang nachzuweisen sein. Dies ist auch der maßgebliche Verdienst der Ausgrabungen H. Feldtkellers und Dr. Beckers.  Besonders H. Feldtkellers Untersuchungen bezeugen die einheitliche Entstehung von Langhaus und Ostteilen, einschließlich des Querhauses. Otto Gaul, der das Langhaus zwar in das 11.Jahrhundert, den Chor aber in das 12. Jahrhundert datiert, kann sich hierbei nur auf geschichtliche Fakten stützen. Diese liefern jedoch keinen Beweis, wenn er zum Beispiel schreibt: ,,Sicher war das Langhaus derjenige Bauteil, welcher 1078-1087 errichtet wurde. Die Fortsetzung des Baues wurde durch den Krieg der Sachsen gegen Heinrich IV. verhindert.  Die Mönche mußten Ilsenburg verlassen und kehrten erst 1105 wieder dorthin zurück. Danach muß so die Bautätigkeit an der Kirche wieder aufgenommen worden sein. . . . Anhaltspunkt für die Zeit der Vollendung der Kirche bietet die Weihe des Kreuzaltares“, dann beweisen diese Fakten nichts, da doch die Kirche bereits 1087, also lange vor der Auswanderung der Mönche vollendet war. Die kurze Bauzeit ist kein Kriterium für Gauls Behauptung. Auch wurde Herrand beim Bau der Kirche durch seine Amtsgenossen, die Bischöfe Werner von Merseburg und Hortwig von Verden, unterstützt. Gaul konnte die Ausgrabungsergebnisse H.. Feldtkellers nicht kennen, da seine Arbeit bereits 1932 erschien, die Ausgrabungen jedoch erst zu dieser Zeit begannen.

Die heutige Forschung nimmt dementsprechend eine einheitliche Entstehungszeit für die gesamte Kirche, den Westbau ausgenommen, an. Eine solche Theorie ist nur zu unterstützen. Interessant ist in dieser Beziehung auch die urkundliche Überlieferung zum Tode Bischof Burchards II. von Halberstadt und seiner Beisetzung mitten im Chor der Klosterkirche. Da dies schon 1088 geschehen ist, fragt man sich, wie jemand im Chor begraben werden kann, wenn dieser noch gar nicht existiert.

Das Querhaus

Vom ehemaligen Querhaus der Ilsenburger Klosterkirche ist nur die Vierung und der südliche Querhausarm erhalten geblieben. Immerhin läßt sich die Grundrißbildung des Querschiffes rekonstruieren. Es bestand aus drei Quadraten, denen als Mittelpunkt und Maßgrundlage das mittlere bzw. die Vierung diente, diese ist in Ilsenburg leicht rechteckig. Nach Norden und Süden sich an dieses anschließend, bildete je ein Quadrat einen Seitenflügel des Querhauses, während nach Westen und Osten vier bzw. ein Quadrat das Langhaus und den Chor bildeten. Damit ergibt sich das typische Schema des Gebundenen Systems1.

Räumlich treten vom Querhaus nur die Vierungspfeiler wirksam in Erscheinung, denen aber die einst auf ihnen lastenden Bögen fehlen. Die Trennung zwischen Langhaus und Vierung wird wieder, wie schon zwischen Vierung und Chor, durch eine Erhöhung des Fußbodens um drei Stufen besonders gekennzeichnet. Die ehemalige Existenz eines nördlichen Querhausschiffes läßt sich leicht an Hand der beim Abbruch hinterlassenen Spuren an der Außenseite der heutigen Nordwand der Vierung ablesen. Bei der Betrachtung des Mauerwerks fallen sofort die beiden Vierungspfeiler mit ihren Verzahnungen und Wölbansätzen auf. Die Verzahnung weist auf die abgerissenen Mauern des ehemaligen Querhausflügels hin und der Bogenansatz am östlichen Vierungspfeiler auf eine Arkade, die sich ehemals hier befunden haben muß. Sie würde das Gegenstück zu der noch in Spuren vorhandenen Arkade in der Ostmauer des südlichen Querhausseitenschiffes darstellen und beweist somit die einstige Existenz eines nördlichen Presbyterienseitenschiffes.

Die ursprüngliche Höhe der Vierungsbögen kann glücklicherweise an Hand zweier noch an den Vierungspfeilern vorhandener Kämpfer rekonstruiert werden. Sie entsprach demnach der Höhe des Langhauses.

Dem Befund nach hat eine ausgeschiedene Vierung bestanden, keinesfalls aber ein Vierungsturm.

Der südliche Querhausarm ist durch mannigfaltige spätere Einbauten unübersichtlich und schwer zugänglich geworden. Seine architektonische Gestalt wurde durch die Erneuerung im 12. Jahrhundert und den wohl gleichzeitigen Anbau des östlichen Klosterflügels mit seinem Durchgang zum Querhaus verunklärt und im Laufe der Zeit immer mehr durch Einbauten kompliziert.

Ein Durchgang in der Ostwand des Flügels verband einst den Kirchenraum mit dem Schlafsaal der Mönche, eine Anlage, die ganz ähnlich auch in St. Godehard zu Hildesheim vorkommt. Feldtkeller stellte bei seinen Untersuchungen fest, daß neben den Vierungspfeilern lediglich ,,das der Schmalseite des südlichen Seitenschiffes entsprechende Mauerstück des Querschiffes der Bauzeit von Schiff und Seitenschiff“, also der Bauzeit des Langhauses angehört. Alle übrigen Mauerteile des südlichen Querhauses entstammen dem 12. Jahrhundert, wahrscheinlich der Zeit des Neubaues des östlichen Klosterflügels von 1161-76.

Dieser Neubau erstreckt sich auch auf die südlichen Teile des Presbyteriums. Die beiden Arkaden in der Südwand des Presbyteriummittelschiffes sind deutlich von denen der Nordwand unterschieden. Sie besitzen eine andere Wölbart und Mauerstruktur.

Das Langhaus

Wie schon Chor und Querschiff so präsentiert sich auch das Langhaus der Klosterkirche ohne das nördliche Seitenschiff. Die gesamte Nordseite der ehemaligen dreischiffigen Basilika  ist  während  des Bauernaufstandes 1525 zerstört worden. Die gleiche Mauertechnik und das gleiche Material zeichnen die gesamte Nordwand der Kirche aus. Im Bereich des Langhauses wird diese Mauer von vier großen, einfachen, rundbogigen Fenstern durchbrochen, die dem Innenraum fast zu viel Licht zuführen, doch wird diese Überfülle wieder gedämpft durch die kaum Helligkeit spendenden kleinen Rundfenster der südlichen Wand.

Das Hauptschiff unterteilt sich nach dem Maßstab der Vierung in vier Quadrate, die markiert werden durch je zwei Arkaden. Getragen werden die Arkadenbögen abwechselnd von einer Säule und einem Pfeiler. Sämtliche Formen sind einfach und grob, die Stützen wirken klobig und primitiv. Der Raum zwischen den zwei östlichsten Arkaden wird durch eine Erhöhung des Fußbodens um zwei Stufen besonders ausgezeichnet. Das trifft sowohl auf das Mittelschiff als auch auf das Seitenschiff zu. Dieser ersten Erhöhung des Fußbodens folgen im gesamten Kirchenraum nach Osten zu noch drei weitere. Sicher hat man bei der Errichtung dieser Anlage geschickt den felsigen Untergrund ausgenützt, die Ursache für das Stufensystem haben wir aber höchstwahrscheinlich woanders zu suchen, nämlich in besonderen liturgischen Vorstellungen. Die einzige flache Decke ist heute durch ein Kreuzgratgewölbe ersetzt.

Teilweise ist im westlichen Langhaus der alte Fußboden erhalten geblieben, ein schön mit Ornamenten und Tierfiguren verzierter Estrich.

Die Restaurierungsarbeiten in der Kirche

In den 20er und 30er Jahren nahm das Interesse an der Ilsenburger Klosterkirche stark zu.  Seinen  Höhepunkt fand es  in  der Ausgrabungstätigkeit Dr. Beckers und der späteren Restaurierung durch das Amt für Denkmalpflege, unter besonders verdienstvoller Mitarbeit der Herren Giesau und Feldtkeller. Unterstützt wurden die Arbeiten durch das großzügige Entgegenkommen der staatlichen Stellen und des Eigentümers. In den 20er Jahren hatte eine Gruppe von Interessenten unter anderen mit Dr. Deneke und dem Fürsten von Stolberg-Wernigerode im Chor der Kirche eine Grabung durchgeführt mit dem Ziel, das Fehlen oder Vorhandensein einer Krypta festzustellen. Die Grabung zeigte ein negatives Ergebnis, es wurden nur eine Menge Grabstellen gefunden, unter anderem ein Gewölbe, in dem man neben einer jüngeren auch die Reste einer älteren Bestattung fand. Einige dabei gefundene Knochenreste, insbesondere das Stück eines Hinterschödels, schrieb man später dem einstigen Bischof von Halberstadt Buko zu.

Im Nachlaß Herrn Dr. Beckers befindet sich ein Bericht von Herrn Dr. Giesau über ,,Die Besichtigung der Klosterkirche in Ilsenburg vom 31. August 1924“. Dieser Bericht verdient deshalb ein besonderes Interesse, da er den Zustand der Kirche noch vor der Restaurierung beschreibt. Aus ihm und aus den Nachrichten Dr. Beckers und Feldtkellers geht hervor, daß die inneren Räumlichkeiten der Kirche sich in einem katastrophalen Zustand befanden. So war der Fußboden des Langhauses durch den Schutt der herabgestürzten früheren Gewölbe um fast einen Meter erhöht worden. Unter dem Schutt verschwanden die Basen der Säulen restlos. Es war eine stark gedrückte Raumproportionierung entstanden.

Die wesentlichen Untersuchungen Dr. Beckers zum Baubestand der Ilsenburger Klosterkirche fanden im Jahre 1932 statt. Über die erste Besichtigung berichtet er in einem Brief vom 7. Dezember 1931.

Im Juli 1932 war Becker mit der Räumung des im Langhaus der Kirche lagernden Schuttes beschäftigt, und am 21. August 1932 berichtet er, die Arbeiten abgeschlossen zu haben.

Beckers baugeschichtlichen Erkenntnisse, Skizzen, Gedanken, Pläne und urkundlichen Studien bilden den wertvollsten Grundstock dieser Arbeit, ja das Wiederauffinden seiner Aufzeichnungen, die lange Zeit verschollen waren, gab erst den eigentlichen Anstoß.

Die Bemühungen Dr. Beckers um Ilsenburg erregten zu ihrer Zeit unter Fachkreisen ein lebhaftes Echo, welches sicherlich viel für die Fortsetzung und Ausweitung der Grabungen beitrug. So begann nach der ersten ,,Beckerschen“ Periode im Jahre 1933 eine zweite, umfassendere, die bis zum Jahre 1935 dauerte und vom Staat getragen wurde.

Der eigentliche Anlaß zu den Sicherungs- und Verschönerungsarbeiten an der Kirche waren Bewegungen in den Gewölben des Schiffes. Die südliche Hauptschiffwand war der übergroßen Last des Daches nicht mehr gewachsen, sie mußte durch Betonzwischenwände und Pfeiler gesichert werden. Im Verlaufe der Sicherungsarbeiten wurde ferner die nördliche Hochschiffwand neu fundamentiert und die Risse im Gewölbe wurden beseitigt.

Verantwortlich für die Arbeiten war die staatliche Bauverwaltung und Denkmalpflege, mit der örtlichen Bauleitung beauftragt war das Staatshochbauamt Halberstadt und der Provinzialkonservator in Halle.

Zu danken ist den Verantwortlichen die Tatsache, daß man nicht einfach bei den notwendigen Sicherungsarbeiten stehenblieb,  sondern  die Gelegenheit zur intensiven Erforschung des Baubestandes und gleichzeitigen Rekonstruierung nutzte. Verunzierungen des Raumes wurden beseitigt und dem Kircheninneren ein neues, seiner Bedeutung entsprechenderes Gesicht gegeben. Von größter Bedeutung sind die über den architektonischen Zusammenhang des Bauwerks gefundenen Ergebnisse. Sie dürften zusammen mit den Erkenntnissen Dr. Beckers und einiger anderer Experten eine annähernd sichere Rekonstruktion des ursprünglichen Baues ermöglichen.

Wichtig ist ein Bericht Dr. Beckers über eine seiner Besichtigungen Ilsenburgs. Er stellte nämlich in diesem Bericht neben der Verstümmelung des Kirchenraumes durch das Fehlen des nördlichen Seitenschiffes fest, daß die Zellersche Höhenangabe für das Mittelschiff nicht stimmt. Becker weist ,im Verlaufe seines Berichtes nach, daß die Höhe des alten Mittelschiffes die Höhe des heutigen um etwa 4 Meter übertraf.

Den Beweis dieser Behauptung führte Becker mit folgenden Argumenten:

  1. ,,An der östlichen Front des noch stehenden Südturmes ist die Verzahnung der ehemaligen Mittelschiffswand über dem heutigen Langhausdach noch in voller Breite und Höhe vorhanden.“
  1. ,,Am Turm läuft noch, in sehr verwitterten Resten erkennbar, in Höhe der ehemaligen Rundbogenfriese als oberer Mauerabschluß herum;  ihm wird ein gleicher Fries beim Langhaus entsprochen haben.“
  1. ,,Es sind noch vor der Südwand über den jetzigen Mittelschiffsgewölben die Anfänger und Kapitelle der Wandpfeiler älterer Gewölbe vorhanden. Deren Kämpfer liegen um etwa 4 Meter höher als die der jüngeren Gewölbe.

Becker datiert diese älteren Gewölbe in die Zeit um 1200. Desgleichen weist Becker auf die Verstärkung der südlichen Pfeiler durch Widerlager an deren Südseite hin.

  1. In gleicher Höhe mit den vorerwähnten Kämpfern der älteren Gewölbe sind bei den Vierungspfeilern noch die ursprünglichen romanischen Kämpfer vom ersten Bau nachweisbar.“

Alle Befunde verweisen auf die Höhe der schon erwähnten Verzahnung am Turm, ohne sich zu widersprechen, wodurch diese als die ursprüngliche angesehen werden muß. Die Proportionen würden gleichzeitig die überlieferte Erbauungszeit nur unterstreichen.

Beim Vergleich der Ergebnisse Beckers mit denen der Restaurierung unter Feldtkeller bestätigt sich ihre Richtigkeit.

In seinem Bericht vom August 1924 über eine Besichtigung der Klosterkirche macht Giesau ähnliche Beobachtungen wie Becker. Er stellt ebenfalls fest, daß ein älteres massives Kreuzrippengewölbe vorhanden war und daß man vor dem Einbau des neuen im 16. Jahrhundert den oberen Teil der Hochschiffmauern abgetragen hat.

Wichtig ist ein Hinweis Giesaus auf Reste der ehemaligen Hochschifffenster in der Langhaussüdwand über dem Seitenschiff. Sowohl Zeller wie Hartmann hatten keinerlei Spuren von Fenstern entdecken können und dies noch extra erwähnt.

Drei verschiedene Raumbildungen können wir nach der Zusammenfassung aller bisherigen Untersuchungen erkennen: Den ersten Raum, hoch und steil mit flacher Decke, nach ihm den zweiten, ebenso dynamisch, aber mit Rippengewölben und schließlich der Einbau des Gratgewölbes im 16. Jahrhundert unter Verzicht auf die alten Proportionen. Mit dem Abtragen eines Teiles der Hochschiffmauern geschah ein entscheidender Eingriff in das ursprüngliche Raumgefüge, dieses ging für immer verloren.

Die erhalten gebliebene südliche Arkadenreihe kann uns zwar einen Einblick in die Größenanordnung geben, in der die Erbauer der Basilika dachten, aber den erlebbaren, ehemaligen Raum kann sie nicht ersetzen.

Aus der Zeit des Umbaues zur Gewölbebasilika  stammen  zwei  mächtige Stuckbasen die sich an den beiden westlichen Langhausstützen befinden. Die Basis der Säule besitzt übermäßige Dimensionen, die sofort an Hamersleben denken lassen. Interessant ist aber eben in Ilsenburg, daß die alten, einfachen, primitiven Basen, so wie sie an den übrigen Stützen zu beobachten sind, zur Zeit des ersten Gewölbeeinbaues durch prunkvolle, überdimensionale Stuckbasen überdeckt wurden. Diese Entdeckung machte Dr. Becker, wie aus einem Brief vom 11. Juli 1932 hervorgeht.

Wirken nun zwar die ursprünglichen Stützen gegenüber der späteren Stuckierung roh und bescheiden, so darf man aus diesem Tatbestand keinesfalls auf etwaige Qualitätsunterschiede zuungunsten der früheren schließen. Trotz der gewissen Primitivität ist das Mauerwerk der Stützen und die Aufführung der Arkadenbögen mit der auf ihnen ruhenden Hochschiffwand ausgezeichnet. Der Baumeister konnte es sich sogar erlauben, auf Überfangbögen zu verzichten, so wie sie in Drübeck vorkommen.

Westanlage

Zweifellos der umstrittenste Komplex des Baubestandes der Ilsenburger Klosterkirche ist deren westlicher Teil mit dem fragmentarisch erhaltenen Südturm und dem Rest des Turmzwischenbaues. Mit dem mächtigen Stützpfeiler an seiner Südwestecke, dem einfachen, rohen, unverputzten und kleinteiligen Mauerwerk, mit den urwüchsigen schmalen, kaum an Fenster, eher an Schießscharten erinnernden Schlitzen in der Westmauer bietet uns der südliche Turmstumpf ein Bild des Alters und vergänglicher Größe, erinnern wir uns nur an die stolze Erscheinung gleichzeitiger, bedeutender und uns erhalten gebliebener Westanlagen. Die obere Begrenzung des Turmmauerwerkes bildet ein einfacher, schon stark verwitterter Rundbogenfries, der im Gegensatz zu dem feldsteinhaften Mauerwerk der übrigen Turmwände in große gelbliche Sandsteinblöcke gehauen ist. Ähnliche mächtige Sandsteinquader bilden das Sockelgesims, auf welchem sich der gesamte Turmbau erhebt und das überraschenderweise um das heute vermauerte Stufenportal in der Westwand des Turmzwischenbaues herumführt, um nach Norden weiterverlaufend auch hier den Sockel für einen Turm, den ehemaligen Nordturm, zu bilden.

Das Innere des Zwischenbaues ist völlig verwahrlost. Durch eine spitzbogige Tür gelangt man zuerst in den Bereich des einstmals sieben Stufen zählenden Portals und durch eine weitere Tür, die eigentliche Portalöffnung, welche von einem Tympanon überfangen wird, in einen kleinen, quadratischen, von einem Rippengewölbe überdeckten Raum. Hier dürfte sich in allerfrühester Zeit eine Turmhalle befunden haben.

Im oberen Teil des Turmzwischenbaues liegt ein weiterer Raum, der ehemals eine Empore gebildet haben muß. Zu ihm gelangt man über eine großartige Spindeltreppe im erhalten gebliebenen Teil des Südturmes. Von der Treppe sind noch 88 Stufen vorhanden. In der Höhe der 44. Stufe liegt der Durchgang zum Zwischengeschoß.  Dessen westliche Abschlußwand  führte  einst zweifellos höher hinauf, heute endet sie knapp einen Meter über dem Fußboden. Immerhin fanden sich auch hier an zwei Eckvorlagen Reste von senkrecht aufsteigenden Lisenen1. Ihnen entsprechen zwei besser erhalten gebliebene Exemplare an den östlichen Eckvorlagen. Die südöstliche Lisene endet noch heute in einem einfach profilierten Kämpfer, in Höhe der Gewölbescheitel des Langhauses. Von dem Kämpfer aus verlaufen in nördlicher und westlicher Richtung die Spuren zweier Gurtbögen2 die später vermauert worden sind. Der nach Norden verlaufende Gurtbogen muß das gesamte Turmzwischengeschoß überbrückt und nach Osten hin geöffnet haben.

1 Lisenen, die (frz. lisière: Rand). Ein nur wenig aus der Mauerfläche vorstehender, senkrechter Wandstreifen, einem Pilaster ähnlich, jedoch ohne Basis und Kapitell und hauptsächlich an romanischen Bauten vorkommend.

2 Gurtbogen, Verstärkungsbogen, der zugleich die Gliederung eines Gewölbes in Joche betont. Er verläuft quer zur Hauptrichtung eines Gewölbes. Beim Stützenwechsel ist er von Pfeiler zu Pfeiler gespannt. Am häufigsten beim Tonnen- und Kreuzgradgewölbe.

Überblick zur Forschung

Bevor wir die Ergebnisse der 30er Jahre in unsere Untersuchung einbeziehen, wollen wir uns einen kurzen Einblick in die früher gewonnenen Erkenntnisse verschaffen. Dies macht sich notwendig, soll der ganze Problemreichtum, den der Westbau aufzuweisen hat, erkannt werden.

Hartmanns Gedanken über das ursprüngliche Aussehen des Westkomplexes sind im wesentlichen folgende:

  1. Die Türme waren wahrscheinlich bis an das Dach viereckig.
  2. Der untere Teil des Turmzwischenbaues besaß einen Westchorbau mit Apsis, worauf der heutige Bogen um das Portal hindeutet.
  3. Im oberen Teil des Zwischenbaues befand sich eine Empore.
  4. Bei Reparaturarbeiten im Jahre 1121 wird der Chor beseitigt und an die Stelle der Apside tritt eine Vorhalle, während der Bogen ein Portal auf                                         nimmt.

Das ist eine gewiß interessante Gestaltung des Westbaues die nur den Nachteil hat, daß sie eben zum großen Teil Annahme ist. Sämtliche Fakten lassen sich anders deuten: Die halbrunde Grundmauer vor dem Portal zum Beispiel, die Hartmann ,,teilweise bloßgelegt“ haben will, und die allerdings eine Apsis bewiesen hätte, wurde bei einer späteren Grabung nicht wieder aufgefunden.

Im Inventar von 1883 sind zwei Möglichkeiten angenommen.

  1. Der Bogen gehört zu einem Portal.
  2. Der Bogen gehörte zu einem ,,zweiten oder West-Chor“.

Die zweite Möglichkeit hält das Inventar für wahrscheinlicher in Hinsicht auf die zahlreichen analogen Beispiele im Harzgebiet. Gegen diese These wenden sich die Verfasser des zweiten Inventares. Bergner und Jacobs halten die Existenz einer Vorhalle oder eines Paradieses für die beste Lösung und deuten dementsprechend den Bogen als Widerlager eines Gewölbes.

Schließlich hat sich A. Zeller ausführlich mit dem Westbau auseinandergesetzt. Für ihn ist die Empore im oberen Teil des Turmzwischenbaues ursprünglich und ,,wahrscheinlich als St. Michaelskapelle anzusprechen“. Über die Vorhalle stellt er fest, daß sie ehemals nach Osten zu offen und wahrscheinlich durch ,,einen Mittelpfeiler in zwei Arkaden geteilt“ war.

Gleichzeitig verweist er auf das Beispiel Paulinzella und nimmt so für die Ilsenburger Vorhalle keine gewölbte, sondern eine flache Balkendecke an. Das heutige Kreuzgewölbe hält Zeller ebenfalls für nicht ursprünglich. Interessant sind seine Ausführungen über das Portal, er hält die These Bergners von der Existenz einer gewölbten Vorhalle für unwahrscheinlich, und den gesamten Komplex der ungewöhnlich breiten, sich durch bequeme niedrige Stufen auszeichnenden Spindeltreppe und des oberen relativ großen Turmzwischenraumes als ursprünglich für liturgische Übungen bestimmt.

Die Ergebnisse der Ausgrabungen

Diesem Kapitel sei wiederum die Auswertung des Berichtes Dr. Giesaus vorangestellt. Er beobachtete folgenden Baubestand:

  1. Zum Westportal:

Ein rundbogiges Rücksprungportal mit Säulen, um das Portal wird außen                           der Sockel des Turmes in hirsauischer Weise herumgeführt.

  1. Zur Turmhalle:

An der westlichen Abschlußwand des Langhauses unterschied er zwei                                                Bauphasen:

  1. a) Ein Ansatz in Kämpferhöhe der Langhausstützen verweist auf einen ehemaligen Gurtbogen der die ganze Breite des Mittelschiffes überspannt hätte, diese nach Westen zu öffnend.
  2. b) Vor den rechteckigen Vorlagen, auf denen die Gurtbogenansätze ruhen, ,,sind beiderseits zwei etwa einen Meter tiefe starke Pfeiler vorgesetzt, die von einer bestimmten Höhe an, an den Ecken kräftige Rundstäbe aufweisen“. Diesen Pfeilern entsprechen zwei westliche, alle vier waren für ein Gewölbe bestimmt, etwa in der Höhe der Mittelschiffsdecke. Mit dieser Konstruktion würde sich das Westportal vereinen. Beide gehören zu einem Bauplan.

Giesau stellt die Frage nach dem Vorhandensein älterer Teile im architektonischen Bestand der Turmfront. Die Möglichkeit des Bestehens einer Westapsis läßt er offen, wobei er gleichzeitig den Baukomplex Westportal-Turmhallengewölbe in die Phase ,,einer späteren Planänderung“ verweist.

Diese Beobachtungen lassen sich nur teilweise durch die Ausgrabungsergebnisse untermauern. Tatsächlich konnte Feldtkeller im Mauerwerk des Turmes ältere und jüngere Teile unterscheiden.

Die Ergebnisse der Ausgrabungen

Diesem Kapitel sei wiederum die Auswertung des Berichtes Dr. Giesaus vorangestellt. Er beobachtete folgenden Baubestand:

  1. Zum Westportal:

Ein rundbogiges Rücksprungportal mit Säulen, um das Portal wird außen                           der Sockel des Turmes in hirsauischer Weise herumgeführt.

  1. Zur Turmhalle:

An der westlichen Abschlußwand des Langhauses unterschied er zwei                                                Bauphasen:

  1. a) Ein Ansatz in Kämpferhöhe der Langhausstützen verweist auf einen ehemaligen Gurtbogen der die ganze Breite des Mittelschiffes überspannt hätte, diese nach Westen zu öffnend.
  2. b) Vor den rechteckigen Vorlagen, auf denen die Gurtbogenansätze ruhen, ,,sind beiderseits zwei etwa einen Meter tiefe starke Pfeiler vorgesetzt, die von einer bestimmten Höhe an, an den Ecken kräftige Rundstäbe aufweisen“. Diesen Pfeilern entsprechen zwei westliche, alle vier waren für ein Gewölbe bestimmt, etwa in der Höhe der Mittelschiffsdecke. Mit dieser Konstruktion würde sich das Westportal vereinen. Beide gehören zu einem Bauplan.

Giesau stellt die Frage nach dem Vorhandensein älterer Teile im architektonischen Bestand der Turmfront. Die Möglichkeit des Bestehens einer Westapsis läßt er offen, wobei er gleichzeitig den Baukomplex Westportal-Turmhallengewölbe in die Phase ,,einer späteren Planänderung“ verweist.

Diese Beobachtungen lassen sich nur teilweise durch die Ausgrabungsergebnisse untermauern. Tatsächlich konnte Feldtkeller im Mauerwerk des Turmes ältere und jüngere Teile unterscheiden.

Der Turmzwischenbau und seine Probleme

Die Anlage, die sich zwischen den Türmen befindet, verdient ein besonderes Augenmerk, da sie das entscheidende Zentrum des Westbaues darstellt. Die inneren Räume bilden zwei Etagen. Nach dem Westen zu trennt eine Scheidewand beide Geschosse von dem anschließenden Kirchenschiff.

Die Trennmauer vermittelte während der Restaurierungsarbeiten  die  ersten genaueren Angaben über das ehemalige Aussehen des Zwischenbaues.

Aus den fast durchweg glatten Turmwänden ließ sich auf eine nach Osten offene Turmhalle schließen. Bei genauerer Untersuchung der Ecke des nördlichen Turmes ergaben sich drei unterschiedliche Bauphasen.

  1. Ein pfeilerförmiger unterer Einbau, der durch seine Quaderarbeit auffällt und ein Kämpfergesims besitzt.
  2. Ein Wölbansatz in Bruchsteinen über dem Kämpfer des unteren Einbaues.
  3. Eine glatte Mauerkante, die durch ihre lisenenartige Vorlage eine besondere Bedeutung erhält, unmittelbar auf dem Rest des                                                   Bruchsteingewölbeanfängers beginnend.

Als ältere Bauetappe kennzeichnete sich der in Bruchstein ausgeführte Bogenanfänger. Er ist identisch mit dem übrigen Turmmauerwerk, welches ebenfalls aus Bruchsteinen besteht. Dieser Bogen muß den ehemaligen Turmraum von Norden nach Süden überspannt und zum Schiff hin geöffnet haben.

Er stellt faktisch die notwendige Verbindung zu einem Portal her und wird sich als Tonne durch den gesamten Turmzwischenbau gezogen haben.

Anders die unteren quaderförmigen Einbauten, sie sind jünger und als Nachfolger der ,,Tonne“ anzusehen. Sie sind jedenfalls als Verstärkung und Sicherung der Turmecken gedacht. Ihre Kämpfer widerspiegeln den Plan einer Bogenwölbung, ähnlich der früheren, doch können sie auch als Stützpunkte für die höher ansetzenden Lisenen gedient haben. Diese Idee harmoniert mit der des von uns bereits erwähnten Gurtbogens in Höhe der Gewölbescheitel. Die für unten gedachte Bogenöffnung wird damit zwar erheblich in die Höhe gezogen, doch würde sie mit der des ursprünglichen Baues übereinstimmen.

In Höhe der ehemaligen Flachdecke befindet sich ein zweiter Bogen, der sich von Ost nach West spannt, und zwischen den südöstlichen Anfängen beider Bögen hat sich der Rest eines Gratgewölbes erhalten. Alles deutet auf die ehemalige Existenz einer durchgehenden Turmzwischenhalle hin, die sich nach Osten durch einen Scheidbogen in Höhe der Mittelschiffdecke geöffnet hat. Nach Süden und sicher auch nach Norden wurde sie von ebensolchen Bögen abgegrenzt, ohne daß diese aber die Turmwände weitergehend öffneten. Schließlich besaß sie als oberen Abschluß ein Kreuzgratgewölbe. Eine Anlage von solcher Höhe wäre genauso monumental zu nennen wie die des Westportales, beide müssen der gleichen Vorstellung entsprungen sein. Beide setzen aber auch einen gewaltigen Umbau, wahrscheinlich des gesamten oberen Teiles der Westanlage, voraus.

Der Baubestand läßt noch eine zweite Möglichkeit der Rekonstruktion zu, nämlich die Teilung des Turmzwischenraumes in zwei Geschosse durch den Einbau einer Empore. Dann wäre die Wölbung über den Kämpfern der eingebauten Eckverstärkungen hinfällig, und die Lisenen mit ihren Bögen und dem Gewölbe würden zum Bauplan der Empore gehören. Dagegen spricht das Ansetzen der Vorlagen in Höhe des Emporenfußbodens. Bei einer gleichzeitigen Planung müßten die Anfänge der Viertelstäbe höher liegen.

Die Empore ist demnach das Ergebnis eines späteren Ein- bzw. Umbaues, sie widerspricht außerdem der Portalanlage.

Eine kurze Zusammenfassung ergibt folgenden Baubestand:

  1. Es existiert eine ältere Anlage mit einer tonnengewölbten kleinen und nicht allzu hohen Turmzwischenhalle. (Ihr Scheitel mag etwas über denen                   der heutigen Langhausarkaden gelegen haben.)
  1. Es erfolgt ein größerer Umbau des mittleren und oberen Teiles der gesamten Westanlage. Die Zwischenhalle wird erhöht und der damaligen                      Deckenhöhe angeglichen, dabei werden die Turmecken verstärkt, die                            Lisenen angebracht und das Kreuzgratgewölbe eingezogen.

Zu dieser Bauphase gehört das monumentale Westportal.

  1. Es erfolgt eine Planänderung oder ein späterer Umbau, die Halle wird

geteilt in einen unteren Raum und eine obere Empore. Der untere Raum

wird durch eine Mauer nach Osten abgeschlossen. (Das muß um 1200

geschehen sein.

  1. Danach läßt sich die zweite Phase in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren, die erste aber kann zum Bau von 1087 gehören.

Die Portalanlage wird bei der Behandlung des Details näher zu untersuchen sein. Vorerst soll nur der rein architektonische Bestand befragt werden. Danach ist als sicher anzunehmen, daß das gewaltige, sich außen um das Portal herumziehende Gesims die Fortsetzung des Turmsockels darstellt, daß es das Sockelgesims selbst ist.

Von den Resten einer Westapsis kann im Zusammenhang mit ihm nicht gesprochen werden, weder gibt es eine Westapsis mit herumgeführtem Sockel, noch weisen Hirsauer- bzw. Cluniazenserbauten eine solche auf. Der Hauptbeweis Hartmanns, die halbkreisförmigen Fundamente, wurden bei den Grabungen der 30er Jahre nicht wieder aufgefunden.

Statt ihrer stellte H. Feldtkeller rechteckige Fundamentenreste fest, die er als zu einer Vorhalle gehörig erklärt. Die Existenz einer solchen Vorhalle ist möglich, der Beweis jedoch sehr gering, da man bei den Ausgrabungen auf Mauerreste stieß, die ein ziemlich unklares Bild lieferten.

Für das Portal ergibt sich die Möglichkeit einer gleichzeitigen Entstehung mit der gesamten Westfassade oder die eines späteren Einbruches. Zu entscheiden ist diese Frage vorläufig nicht.

Die Türme

Aus den Resten der ehemaligen Doppelturmanlage läßt sich nur deren unterer Bauabschnitt rekonstruieren. Dieser war im Äußeren völlig schmucklos, lediglich seine obere Grenze wurde durch einen primitiven Rundbogenfries ausgezeichnet. Wie der obere Teil der Fassade ausgesehen hat, kann nur mit Hilfe analoger Turmgruppen ermittelt werden. Hartmanns These einer viereckigen Fortführung der Türme ist wenig glaubhaft. Die Spindeltreppe wird in Höhe ihres heutigen Abschlusses geendet haben, wahrscheinlich wurde sie durch eine kleinere fortgesetzt.

Der Zweck dieser einmaligen Treppe ist weitgehend unklar. Die ungewöhnlich breite und bequeme Anlage läßt an eine Benutzung durch viele und hochgestellte Persönlichkeiten denken. Vielleicht ist die Empore mit ihr in Verbindung zu bringen, vielleicht auch ein Übergang zum Nordturm im obersten, heute verschwundenen Teile des Zwischenbaues. Zellers Prozessionstheorie soll in diesem Zusammenhang lediglich erwähnt werden. Es besteht die Möglichkeit, daß die Treppenanlage in ihrem ursprünglich geplanten Sinn nie benutzt worden ist.

Wahrscheinlich wurde die im nördlichen Turm geplante gleiche Spindeltreppe nie ausgeführt, darauf deutet jedenfalls das Fehlen jeglicher Ansatzspuren an den vorhandenen Mauerresten hin.

Die Gesamthöhe der Westanlage wird das Doppelte der heutigen betragen haben.

Der ursprüngliche Bestand der Klosterkirche

Es macht sich ein kurzer Rückblick erforderlich. Erst im Zusammenhang werden die einzelnen Beobachtungen verständlich und ihre Deutung wird wesentlich erleichtert. Die Vereinigung der verschiedenen, voneinander abhängigen und sich gegenseitig ergänzenden bzw. erklärenden Fakten ergibt im wesentlichen das folgende Bild:

  1. Die Kirche zeigt das basilikale Schema im gebundenen System. Der Fußboden steigt von West nach Ost infolge von vier Stufenanlagen um 1,40 m an.
  2. Im Osten schließt sich an das Langhaus ein Querschiff an, das eine aus geschiedene Vierung und zwei quadratische Seitenflügel besitzt. Die                                     Vierung ist leicht rechteckig, da das Querhaus etwas schmaler                                        ist als das Langhaus.
  3. Das vor dem Querhaus liegende Presbyterium zeichnet sich durch seine Dreischiffigkeit aus. Zu beiden Seiten des quadratischen                                                           Presbyterienmittelschiffes schließt sich ein Seitenschiff an, das jeweils                                          durch zwei Arkaden mit dem Mittelschiff und durch eine Arkade mit dem                          westlich angrenzenden Querhausflügel in Verbindung steht. Alle drei                                           Presbyterienschiffe besitzen die Breite der Langhausschiffe. Nach Osten                    schließen die Presbyterienschiffe in halbrunden ungleich fluchtenden                           Apsiden.
  4. Der Ostbau besitzt keine Krypta.
  5. Das Langhaus besitzt einfachen Stützenwechsel bei 8 Arkaden. Sämtliche Räume sind flach gedeckt.
  6. Der Westbau zeigt eine sächsische Doppelturmfassade mit einem kleinen Portal und einer tonnengewölbten Halle. Weitere Türme existieren nicht.

In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts bis um 1200 finden größere Umbauten statt. Mittelschiff und Querhaus werden gewölbt, der südöstliche Teil der Kirche wird erneuert und die Westanlage stark verändert.

 

Die Klosteranlage

Der Kreuzgang

Der zum unentbehrlichen Bestandteil eines Klosters gehörende Kreuzgang war auch in Ilsenburg vorhanden. An der Außenmauer des südlichen Langhausseitenschiffes finden sich noch die romanischen Gewölbekämpfer, die, fest im Mauerverband stehend, zusammen mit den hoch unters Dach gerückten Rundfenstern des Seitenschiffes bezeugen, daß dieser Flügel des Kreuzganges von Anfang an geplant worden ist.

Vom östlichen Flügel sind ebenfalls Kämpfer erhalten. Der architektonische Bestand ergibt hier jedoch eine romanische und eine gotische Bauphase. Schließlich besitzt die Nordmauer des südlichen Flügels Kämpfer, die denen des östlichen ähneln. Die Verschiedenheit aller drei Kämpfertypen läßt sich sehr gut mit den aus den Urkunden ersichtlichen drei Bauetappen der Klostergebäude vereinen. Der vierte, westliche Teil des Kreuzganges ist bis auf kümmerliche Fundamentreste verschwunden. A. Hartmann bildet noch einige Stützen ab. Er schreibt über den Kreuzgang, daß von ihm nur noch auf der Südseite die die Abschlußbogen tragenden Pfeiler stehen. In seiner Ost-West-Ausdehnung besaß der Kreuzgang ehemals elf Gewölbequadrate, in der Länge des Ostflügels neun.

Der Südflügel der Klostergebäude

Das eingeschossige Gebäude beherbergt drei äußerst unterschiedliche Räume. Nach Westen liegt das großartige, siebenjochige Refektorium1. Ihm schließen sich nach Osten ein sogenannter Vorratsraum und ein nicht näher zu bestimmendes Gelaß an. Über diesem befindet sich die Treppe zum Dormitorium. Die drei westlichen Joche des Refektoriums sind unterkellert. Aus einem Bericht des Grafen geht hervor, daß im 19. Jahrhundert die nördlichen Fenster des Refektoriums erneuert worden sind. Im übrigen ist jedoch die alte Mauersubstanz des Gebäudes erhalten.

Ein bisher ungelöstes Problem des Südflügels bildet die abgeschlossene Lage des Refektoriums. Gewöhnlich ist dieses zumindest durch eine Öffnung mit der Küche verbunden. In Ilsenburg fehlt eine solche Verbindung, der östlich anschließende Raum  wird  zwar als sogenannter Vorratsraum  oder Vorraum betrachtet, besitzt aber weder zur Küche noch zum Refektorium hin eine Öffnung, obwohl diese Funktion zu seiner Lage zwischen Küche und Refektorium passen würde. Das Problem erklärt sich vielleicht aus der unterschiedlichen Bauzeit der beiden Klosterflügel, da das Refektorium im südlichen, die Küche aber im östlichen liegt.

1Refektorium, Speisesaal der Mönche

Der Ostflügel der Klostergebäude

Wesentlich reichhaltiger und schwieriger ist die Bausubstanz des die Klausur nach Osten abschließenden zweigeschossigen Gebäudes. Am einfachsten ist noch das obere Stockwerk, in dem nur zwei Räume existieren. Davon nimmt der größere, das Dormitorium, fast die gesamte Fläche für sich in Anspruch. Heute ist es durch Einbauten in seiner Einheit gestört. Ursprünglich besaß es keine Zwischenwände, möglicherweise aber hölzerne zellenartige Einbauten. Nördlich schließt sich an das Dormitorium die sogenannte Alte Sakristei an.

Was vom architektonischen Befund auffällt, ist die Regelmäßigkeit der östlichen Fenster, die nur zweimal unterbrochen wird.

Im Erdgeschoß zeichnet sich der Kapitelsaal durch besonderen Reichtum aus, während die Küche, der südlichste Raum des Gebäudes, durch ihre Funktion an Bedeutung gewinnt.

Das zentrale Problem des Ostflügels ist die durch ein Fundament nachgewiesene Existenz einer Kapelle, den Urkunden nach als Marien-Kapelle anzusprechen, die sich östlich an den Kapitelsaal anschloß. Leider ist ihr Fundament nicht mehr zuverlässig. Es wurde ursprünglich entfernt und später wieder eingesetzt. Im wesentlichen läßt der Grundriß erkennen, daß sie drei Schiffe besaß, die fast gleich breit waren und im Osten in halbrunden, gegenseitig einschneidenden Apsiden endeten.

Die mittlere Apsis erinnert in ihrem Aussehen stark an ein Hufeisen. Zwischen ihren westlichen, pfeilerartigen Vorsprüngen wird sich ehemals ein Bogen gespannt bzw. eine Treppe befunden haben. Zumindest für die West-Ost-Richtung sind jeweils drei weitere Bögen als Langhausarkaden anzunehmen, darauf deuten die Ansatzreste der Verzahnung in der westlich an den Grundriß anschließenden Ostwand des Klostergebäudes hin. Ebenfalls lassen sich hier die Spuren eines ehemaligen Gewölbes (wohl Kreuzgrat) entdecken. Auf eine Wölbung verweisen auch die seitlichen Wandvorlagen. Die Bögen ruhten abwechselnd auf einem Pfeiler und einer Säule. Nach Westen öffnete sich die Kapelle durch die drei Arkaden des Klostergebäudes. Zu beiden Seiten der mittleren übereinander liegenden Arkaden findet sich noch die Verzahnung der einstigen Verbindungswand zwischen Kapelle und Klostermauer. Die Verzahnung fehlt seltsamer Weise dort, wo die Seitenschiffwände hätten ansetzen müssen. Die gesamte Anlage ist sehr unklar, doch es dürfte feststehen, daß das Mittelschiff die doppelte Höhe der Seitenschiffe besaß, womit die Kapelle den Charakter einer kleinen querschifflosen Basilika erhält.

Die unteren Arkaden führen in einen Raum, der noch nicht näher bestimmt wurde. Allgemein wird er zusammen mit dem nördlich an ihn angrenzenden Raum als Kapitelsaal bezeichnet. Die heutige Trennung durch eine Mauer ist nicht ursprünglich. Sie entstammt dem 19. Jahrhundert. Die früheste Trennung erfolgte durch zwei besonders ausgezeichnete Stützen, vielleicht auch durch Bögen.

Da die Abtrennung in Verlängerung der Kapellennordwand erfolgte, vergrößert sich diese um die drei südlichen Joche des Kapitelsaales.

Nach Westen entsprechen drei weitere Arkaden den östlichen und öffnen den gesamten Raum zum Kreuzgang hin. In der Verlängerung der Achse befand sich im Kreuzganghof das Brunnenhaus.

Die gesamte Anlage ist als eine architektonische Meisterleistung anzusehen, geschickt wurden Kapelle – Ostarkaden – Kapitelsaal – Westarkaden – Kreuzgang und Brunnenhaus miteinander verbunden.

Die Entstehung der Kapelle schreibt Sommer wohl nach Jacobs dem Abt Sigebodo zu, der sie erbaut haben und in ihr begraben worden sein soll. Für den oberen Bogen schlußfolgert Zeller eine Empore. Das ist durchaus möglich. Berechnet man aber, daß sich im oberen Stockwerk das Dormitorium befand, dann ergibt sich für dieses bereits die zweite Verbindung zu einem Kirchenraum. Vielleicht war die Arkade für kranke Mönche gedacht, da ja die Marienkapelle die Krankenkapelle ist und schon in St. Gallen mit dem Infirmitonum in Verbindung steht. Letzteres wurde in Ilsenburg wahrscheinlich durch eine Abtrennung im Dormitorium gebildet oder durch einen nahe angrenzenden Raum. Zeller geht im Zusammenhang mit der Marienkapelle in seinen Schlußfolgerungen noch weiter. Er spricht von einer Übernahme älterer Bauteile bereits beim Bau der Klostergebäude im 11.Jahrhundert. Einmal nimmt er an, daß eine Doppelkapelle bestanden haben könne, zum anderen verweist er auf die Existenz einer ältesten noch aus der Zeit der Burg herrührenden Kapelle. Seiner Meinung nach war dies eine nach Westen offene Missionskapelle die man beim Neubau schonte und in den Klosterbau einbezog.

Alle diese Prognosen sind durch nichts zu beweisen und bleiben spekulativ. Als Beweis führt Zeller für die zeitlich ungleichmäßige Entstehung von Kapelle und Klostergebäude die unterschiedliche Mauerstärke zwischen der Ostwand des Klostergebäudes und den Seitenwänden der Kapelle an. Das ist unbestreitbar, Kapelle und Klosterwand sind tatsächlich unabhängig voneinander entstanden, und sicherlich ist die Kapelle auch der ältere Teil, auf den beim Neubau des Klostergebäudes Rücksicht genommen wurde. Das heißt, die Kapelle wurde in den Klosterbau einbezogen, denn nur so lassen sich die Arkadenöffnungen erklären. Damit ist aber nichts über das Alter der Kapelle gesagt. Daß diese nach Westen offen war, in einer Art Missionskapelle ist zweifelhaft, eher konnte eine solche, offene Fassade auf die Absicht des späteren Anbaues eines Gebäudes, eben des östlichen Klosterflügels, hindeuten. Die quellenmäßig belegte Erbauungszeit kurz vor der Errichtung des Ostflügels macht dies wahrscheinlich.

Zum Kapitelsaal gibt es eine interessante Bemerkung des Grafen Botho und eine ebenso interessante Lithografie von Loeillot. Ersterer behauptet, der Saal sei ursprünglich getrennt gewesen, letztere gibt uns einen Einblick in die Größe und Schönheit des gesamten Saales.

Die Reste der übrigen Klostergebäude

Schon Hartmann mußte vor hundert Jahren feststellen: ,,Endlich bemerkt man noch die Reste von Gebäuden neben der Kirche und den noch stehenden Klostergebäuden, deren ursprüngliche Gestalt  man  nicht  mehr  erkennen kann.“ Heute ist selbst von diesen Resten nichts mehr vorhanden. Der westliche Klosterflügel ist vollständig verschwunden.

Dem Grafen Botho verdanken wir eine Nachricht über die Auffindung von Fundamenten südlich des Westbaues der Kirche, etwa dort, wo sich der westliche Klosterflügel befunden haben muß. Die von dem Grafen aufgezeichneten Fundamentreste sind wie in allen ähnlichen Fällen nicht exakt genug, um sie ohne Kritik übernehmen zu können, doch dürfte ihre ungefähre Lage stimmen. Dem Grundriß und den dazugehörigen schriftlichen Aufzeichnungen nach führte von der Südwand des Kirchturmes ein unterirdischer spitzbogig gewölbter Gang schräg abfallend in das anschließende Kellergewölbe. Dessen Lage stimmt mit der des ehemaligen Westflügels der Klosteranlage überein.

Eine Reihe weiterer Beobachtungen des Grafen können im Rahmen dieser Arbeit nicht ausgewertet werden, sie sollten vielmehr ein Anlaß zu einer erneuten grabungsmäßigen Untersuchung sein. Unabhängig von den wichtigen gräflichen Entdeckungen läßt sich in westlicher Fortsetzung des Refektoriums ein ehemaliges Klostergebäude feststellen, das interessanter Weise die Klausurgrenze überschritten haben muß. Der Kreuzgang hat hier eine Pforte besessen, die sicherlich mit dem noch erhaltenen Südeingang des heutigen Schlosses in Verbindung zu bringen ist.

Die augenblickliche Gesamtform des Grundrisses von Schloß und Kloster ist spätestens für die gotische Zeit sicher. Man wird das Steilufer zur Ilse hin kaum unbebaut gelassen haben. Die etwas rückwärtige Lage des Klosters ist durch das zu kleine Vorgelände zum Abhang hin entstanden. Die sich unmittelbar westlich des Turmkomplexes befindende Abstufung des Bodenniveaus war ursprünglich noch erheblich größer, da das Niveau des heutigen Schloßhofes weit über dem ursprünglichen liegt. Sicher hat auch die Lage der einstigen Pfalz auf die nachfolgenden Klosterbauten einen anhaltenden Einfluß ausgeübt.

Zusammenfassend ist über den ursprünglichen Klosterplan zu sagen, daß den Kern die noch heute erhaltene Anlage bildet. Die westlich und nördlich um den Kern gebauten aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schloßgebäude befinden sich an der Stelle älterer Gebäude, die bis in die erste Phase des Klosters zurückreichen.

Die Reste der übrigen Klostergebäude

Schon Hartmann mußte vor hundert Jahren feststellen: ,,Endlich bemerkt man noch die Reste von Gebäuden neben der Kirche und den noch stehenden Klostergebäuden, deren ursprüngliche Gestalt  man  nicht  mehr  erkennen kann.“ Heute ist selbst von diesen Resten nichts mehr vorhanden. Der westliche Klosterflügel ist vollständig verschwunden.

Dem Grafen Botho verdanken wir eine Nachricht über die Auffindung von Fundamenten südlich des Westbaues der Kirche, etwa dort, wo sich der westliche Klosterflügel befunden haben muß. Die von dem Grafen aufgezeichneten Fundamentreste sind wie in allen ähnlichen Fällen nicht exakt genug, um sie ohne Kritik übernehmen zu können, doch dürfte ihre ungefähre Lage stimmen. Dem Grundriß und den dazugehörigen schriftlichen Aufzeichnungen nach führte von der Südwand des Kirchturmes ein unterirdischer spitzbogig gewölbter Gang schräg abfallend in das anschließende Kellergewölbe. Dessen Lage stimmt mit der des ehemaligen Westflügels der Klosteranlage überein.

Eine Reihe weiterer Beobachtungen des Grafen können im Rahmen dieser Arbeit nicht ausgewertet werden, sie sollten vielmehr ein Anlaß zu einer erneuten grabungsmäßigen Untersuchung sein. Unabhängig von den wichtigen gräflichen Entdeckungen läßt sich in westlicher Fortsetzung des Refektoriums ein ehemaliges Klostergebäude feststellen, das interessanter Weise die Klausurgrenze überschritten haben muß. Der Kreuzgang hat hier eine Pforte besessen, die sicherlich mit dem noch erhaltenen Südeingang des heutigen Schlosses in Verbindung zu bringen ist.

Die augenblickliche Gesamtform des Grundrisses von Schloß und Kloster ist spätestens für die gotische Zeit sicher. Man wird das Steilufer zur Ilse hin kaum unbebaut gelassen haben. Die etwas rückwärtige Lage des Klosters ist durch das zu kleine Vorgelände zum Abhang hin entstanden. Die sich unmittelbar westlich des Turmkomplexes befindende Abstufung des Bodenniveaus war ursprünglich noch erheblich größer, da das Niveau des heutigen Schloßhofes weit über dem ursprünglichen liegt. Sicher hat auch die Lage der einstigen Pfalz auf die nachfolgenden Klosterbauten einen anhaltenden Einfluß ausgeübt.

Zusammenfassend ist über den ursprünglichen Klosterplan zu sagen, daß den Kern die noch heute erhaltene Anlage bildet. Die westlich und nördlich um den Kern gebauten aus dem 19. Jahrhundert stammenden Schloßgebäude befinden sich an der Stelle älterer Gebäude, die bis in die erste Phase des Klosters zurückreichen.

Bautechnische Einzelheiten

Das Baumaterial

Als Baumaterial diente in erster Linie der in der Nähe von Ilsenburg gefundene sogenannte Rogensandstein, der in verschiedenen Farbtönen vorkommt. Dieser Stein wird sowohl im 11. wie auch im 12. Jahrhundert in großen Blöcken oder kleineren Bruchsteinen verarbeitet.

Er bricht in langen Platten und läßt sich ausgezeichnet verarbeiten, doch verwittert er ebenso leicht. Besonders Feuchtigkeit und Frost greifen ihn sehr an. Die Mauerung der Fugen besteht zum größten Teil aus einem Gipsmörtel der unterschiedliche Qualität besitzt, oft ist er heraus gebröckelt oder gerissen. Hierbei gibt es keine wesentlichen Unterschiede zwischen Kirche und Klostergebäuden. Nur wenige Bauteile der Kirche zeichnen sich durch eine bessere, qualitative Behandlung des Steinmaterials und durch die Verwendung größerer Blöcke aus. Es sind dies jeweils die wichtigen Zentren der Kirche, so die Langhausarkaden, der Fundamentfries und der obere Rundbogenfries  des Nordturms sowie die Treppenspindel innerhalb des Turmes.

Viele der wichtigen Mauerverbände liegen heute, für das Auge des Betrachters unsichtbar, unter Putz und Mörtelschichten verborgen, so daß eine bautechnische Untersuchung  mit einer anschließenden chronologischen Tabelle,  wie  sie G.Berger zum Bau der Burchardikirche zu Halberstadt anfertigte, in dieser Arbeit nicht unternommen werden konnte.

Mauer- und Versetztechnik

Den ursprünglichen Kern der heutigen Kirche bildet die Südarkadenwand mit ihren 8 Bögen, die in ihrer Struktur von Feldtkeller genau untersucht wurden. Zur Wölbweise stellt er fest: ,,Flache im Bogen gearbeitete Platten wechseln an den Außenseiten jeweils mit tiefen schmalen Bindersteinen. Die Platten bilden gewissermaßen  eine Schalung,  zwischen  die,  senkrecht  zu  ihnen, Bruchsteine ,einbetoniert wurden.“  Diese Art der Wölbung fand sich ebenfalls an den nördlichen Chorarkaden und den kundienstern der Seitenschiffsüdwand, die somit gleichzeitig entstanden sein  müssen. Eine andere Art der Wölbung fand Feldtkeller hingegen bei der erhaltenen Südarkade des Presbyteriums und dem Durchbruch vom südlichen Chorseitenschiff zum Querhaus. Hier werden zur Wölbung keine Platten mehr verwendet, sondern Keilsteine. Man darf deshalb diesen Teil des Mauerwerks in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren. Zu dieser Zeit tritt in Ilsenburg erstmals die Verstärkung  der Mauerecken  durch größere Sandsteinquader auf.  An  der Südostecke des Ostflügels läßt sich diese neue Art der Mauerung gut beobachten, Anklänge finden wir ebenfalls an der Südostkante des Turmstumpfes. Das Neue ist bei diesem Eckverband die Verwendung langer Binder, die abwechselnd nach jeder Seite tief in das Mauerwerk hineingreifen. Ein solcher Verband steht im krassen Gegensatz zu dem übrigen Mauerwerk der Gebäude, das auch weiterhin kleinteilig und uniform bleibt.

Die wichtigsten Maße der Klosterkirche

Mittelschiff       Länge von Ost nach West                 30,20 m

Breite                                                      7,40 m

Mauerkrone um 1250                        13,20 m

Mauerkrone heute                                9,25 m

Gewölbekämpfer um 1250                 8,65 m

Gewölbekämpfer heute                       5,35 m

Vierungspfeilerkämpfer noch 6,75 m über dem Fußboden

Seitenschiff       Breite                                                     3,70 m

Höhe                                                     die halbe Höhe des Mittelschiffes

Querschiff         Länge von Nord nach Süd      etwa 22,00 m

Breite                                                      6,07 m

Presbyterium     Länge ohne Apsis                                 6,69 m

Länge der Apsis                        etwa    4,00 m

Breite                                                      7,30 m

Höhe um 1250                                    11,50m

Höhe heute                                            6,80 m

Westanlage       Länge von Ost nach West                   8,00m

Höhe des Frieses                                 13,50 m

Höhe des Turmes um 1250              30,00m

Höhenunterschied, Fußboden vom Mittelschiff zum Presbyterium         1,40m

Einzelheiten

Die Klosterkirche besitzt nur wenige bautechnische Details, die man zur Datierung des Bauwerkes heranziehen kann. Die Türen sind durchweg modernisiert worden, von den Fenstertypen lohnen nur zwei einer näheren Betrachtung, und ähnlich verhält es sich auch mit den übrigen Einzelheiten. Etwas reicher ist der Bestand innerhalb der Klosterbauten. Doch haben auch hier spätere Umbauten Schaden getan. Unterscheiden lassen sich die Details in Türen, Fenster und Profile.

Die Türen (Portale)

Von der Vielzahl der vorhandenen Türöffnungen sind nur zwei erwähnenswert. (Das spitzbogige Portal an der Westfassade der Turmfront ist ein Unikum und erübrigt jede weitere Frage.) Zwei wertvolle Portalöffnungen besitzt lediglich der südliche Klosterflügel. Die eine führt zum Refektorium, die andere in den sogenannten Vorraum. Beide Portalgewände sind in ihrem Bestand mittelalterlich und gehen wahrscheinlich auf den Neubau des 12. Jahrhunderts zurück. Die Zusammensetzung der Gewände aus großen Sandsteinquadern und die Art des oberen Abschlusses durch einen einzigen, halbrund ausgehauenen Block erinnert stark an die gleichfalls in der Nordwand des Südflügels befindlichen Fenster. Für den Stilvergleich ist dieser Portaltyp nur indirekt zu verwenden, da er in Ilsenburg nicht wieder vorkommt.

Die Fenster

Die primitivste Fensterform besitzt der Turmstumpf in den schlitzähnlichen Öffnungen seiner Westwand. Man wird versucht, sie zu den ältesten Bauteilen der Kirche zu rechnen. Doch befinden sich die nachweislich ältesten Fensteröffnungen in der Südwand des erhaltenen basilikalen Seitenschiffes. Sie stellen in ihrer kreisrunden Form wiederum eine Einmaligkeit dar, die in Ilsenburg nicht wieder erreicht wird. Da ihre Gewändestruktur die gleiche Wölbart wie die Arkadenbögen des Langhauses zeigt, müssen sie der gleichen Bauzeit angehören. Die gesamte Südwand ist somit als noch ursprünglich anzusehen.

Zu den festgestellten zwei Grundtypen gesellen sich zwei weitere, die den Klostermauern ihr Gepräge geben. Interessanter Weise kommen beide abwechselnd sowohl am Südflügel als auch am Ostflügel der Klostergebäude vor. So beherrscht der Typ des schmalen, langen Fensters, dessen Gewände aus unförmigen Sandsteinblöcken bestehen, die Ostseite des Dormitoriums und die Nordseite des Refektoriums, während sich der andere Typ des fast quadratischen, mit Keilsteinen gewölbten Rundbogenfensters jeweils an der Außenfront der beiden Flügel befindet. Eine solch angeglichene Formenwelt spricht für die enge Verschmelzung beider Bauten.

Eine Fensterordnung mit kleinen Säulen im Gewände kommt im Kapitelsaal vor. Sie ist im Zusammenhang mit der im ganzen Raum angewendeten vorzüglichen Steinbearbeitung zu verstehen. Aus den Quadern der Fenstergewände und der Arkadenwanderungen sind jeweils an den Ecken kleinere oder größere Säulen herausgekehlt. Diese Technik ist für Ilsenburg sehr ungewöhnlich, sie kommt in keinem weiteren Raum wieder vor. Die vorzügliche Behandlung des Materials erinnert erstmalig an die qualitätsvollen Bauten der Hirsauer, vielleicht kommen die Steinmetze, die den Kapitelsaal geschaffen haben, aus dem Südwesten Deutschlands.

Profile

Die Masse der Profile gehört den Kämpfern und Basen der Stützen an. Eine Ausnahme bildet lediglich das Kreuzgewölbe im unteren Turmzwischenraum, dessen Rippen ein kräftig ausgebildetes Profil besitzen. Hohlkehle und Wulst setzen sich durch eine einfache Schräge nach dem freien Ende zu fort.

Die prunkhaften Stuckbasen der zwei westlichsten Stützen des Langhauses sind eine Zutat des 12. Jahrhunderts, als man mit der Schmucklosigkeit des Kirchenraumes nicht mehr einverstanden war. Die einfachen Platten, auf denen die Stützen ruhten, verschwanden nun unter dem Stuck. Das Profil der im 12. Jahrhundert angebrachten Stuckbasen unterscheidet sich nur wenig von den Basen der Stützen in den Klostergebäuden, die alle eine einfache attische Form besitzen.

Die Kämpferprofile lassen sich allgemein in einfach und reich ausgebildete Formen unterteilen. Beide Formen kommen gleichzeitig in den verschiedenen Klostergebäuden vor, eine stilistische Abgrenzung oder das Aufstellen einer Entwicklungslinie, etwa von einer einfachen zu einer komplizierten Form, ist nicht möglich.

Die Eckvorlagen des Turmzwischenbaues mit ihren Viertelstäben besitzen ebenfalls eine zu allgemeine Form, als daß man sie für eine zeitliche Bestimmung des Zwischenbaues benutzen könnte. Selbst der den oberen Abschluß der südöstlichen Vorlage bildende Kämpfer weist noch eine zu allgemeine Ausbildung auf. In der unkomplizierten Folge von Platte-Wulst-Platte-Kehle kann er im Zusammenhang mit dem gesamten Westbau in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert werden. Genauso einfach geben sich die meisten übrigen Kämpfer.

Die Bauornamentik

In der Klosterkirche

Das Innere der Kirche ist sehr schlicht gehalten. Die einfachen Basen der Arkadenstützen und die Würfelkapitelle mit ihren an den Seiten flach aufgelegten Schilden sowie den kurzen, geraden Ecknasen, lassen jeden Hang zum Ornamentalen vermissen.

Die Schmucklosigkeit geht in Ilsenburg so weit, daß selbst auf den allgemein üblichen Schaftring unterhalb des Kapitells verzichtet wird. Die Freude am Ornament macht sich erst im Verlauf des 12. Jahrhunderts bemerkbar, als man das Refektorium und den Kapitelsaal erbaute. Gegen Ende des Jahrhunderts griff die Ornamentfreudigkeit auch auf den Innenraum der Kirche über. In diese Zeit gehört sowohl die mächtige Stuckbasis der westlichen Säule mit ihnen als Gesichtsmasken ausgebildeten Eckblättern als auch der während der Ausgrabungen in Resten aufgefundenen, mit figuralen und ornamentalen Motiven verzierte Estrich. Dieser nahm ehemals die gesamte Breite des Mittelschiffes ein. Er zeigt als Verzierungsmotiv unter anderem einen Fisch mit gehörnter menschlicher Fratze an Stelle des Kopfes, Reste eines Hirsches und einer geflügelten Schlange. Umrahmt werden die Figuren von großzügig herumgeführten Ranken.

Für die Orientierung des Fisches nach Westen und die Anbringung der Masken (menschliche Fratzen mit herausgestreckter Zunge) an der Basis der westlichsten Säule ist eine Bezugnahme auf den Westeingang der Kirche anzunehmen.

Lehmanns These, nach der sich im Westen der Sitz des Bösen befindet, dessen Hereinkommen durch die Anbringung von Fratzen verhindert werden soll, dürfte durch das Ilsenburger Beispiel eine weitere Bestätigung erfahren haben. Schwierig erweist sich die zeitliche Bestimmung des Westportals. Sein rudimentärer Zustand setzt allen Bemühungen eine kaum zu überwindende Grenze. Von den sieben Stufen, die es besitzt, sind fünf verbaut und die restlichen zerstört. Einige Basis- und Kapitellreste, von denen aber die letzteren spätere Einbauten darstellen, sind die einzigen Anhaltspunkte für eine kunsthistorische Festlegung. Zwar ist der Erhaltungszustand des Tympanons1 wesentlich besser, doch äußerten verschiedene Forscher die Meinung, daß es nicht ursprünglich sei. So behauptet G. Deneke, es wäre ,,für den Umbau des Schlosses 1862 hergestellt worden.“ Andere Autoren, unter ihnen auch H. Giesau, nehmen an, daß es sich ursprünglich an einem anderen Ort befunden habe. Wir halten es für ursprünglich zum Portal gehörig. Die Darstellung des segnenden Christus und der beiden ihn flankierenden Heiligen weisen seine Bestimmung für eine Kirche aus.

1 Tympanon, das (griech.). Bogenfeld über einem mittelalterlichen Portal, mit oder ohne plastischen Schmuck.

 

 

In den Klostergebäuden

Innerhalb dieser Arbeit können die reich ornamentierten Stützen der Klostergebäude nur kurz behandelt werden. Die Fülle der Motive ist groß und gestattet nur ihre grobe Einordnung in einen allgemeinen Zusammenhang. Die wesentlichsten Unterschiede zwischen den einzelnen Räumen bestehen in der Dekoration der Säulenschäfte, der Ausbildung der Kapitelle und in der technischen Behandlung des Materials.

Eine vielseitig ausgebildete Schaftdekoration besitzt das Refektorium. Nicht weniger als vier verschiedene Motive zeigen die Säulen, wobei allerdings zu bemerken ist, daß jedes Motiv paarweise vorkommt. Von Ost nach West besitzen je zwei Säulen nebeneinander die gleiche Verzierung. Die Motive bilden ein Tau, ein durch vier vertikale Stäbe unterbrochenes Tau, ein Rautenmuster und ein gezacktes Band.

Mehrere Säulen sind glatt geschäftet, andere sind eingemauert oder von einem Betonmantel umgeben, so daß ihre Form nicht mehr ersichtlich ist. Das Material besteht aus dem bereits angesprochenen Sandstein gelblicher Farbe, der oft ins Grünliche spielt und für eine plastische Gestaltung sehr gut geeignet ist.

Daß in Ilsenburg trotzdem die Formen oft ungeschickt und grob gearbeitet sind, liegt nicht am Material, sondern ist eine Eigenart der in Ilsenburg tätigen Steinmetzen.

Die Vergröberung der Formen zeigt sich unter anderem auch an der Kapitellornamentik. Hier herrschen verschieden geformte und ineinander verschlungene Palmettenranken vor, die gewöhnlich durch ein Diamantband umschlungen werden. Reine Würfelkapitelle mit doppeltem und einfachem Schild sowie mit nach unten abgeschrägter Nase an den Ecken besitzen die Säulen der Küche.

Sonderformen bilden ferner einige Kapitelle der übrigen Klosterräume, die kanneliert oder schräg gebändert sind. Ein Kapitell an der Westwand des Kapitelsaales zeigt bemerkenswerter Weise ein völlig ornamental eingesponnenes menschliches Antlitz. Dieses bleibt jedoch eine Ausnahme, weitere figürliche Ornamentik findet sich in Ilsenburg nicht.

Die zeitliche Stellung der Ornamentik ist durch Urkunden gesichert. Das Refektorium ist vor dem Tod des Abtes Sigebodo (gest. 1161) vollendet worden, der Kapitelsaal und die Küche wenige Jahre später. In den Ornamentformen macht sich der Zeitunterschied kaum spürbar. Nickel verweist zwar auf die umkippenden Spitzen der Palmettenwedel und den erstmals vorkommenden glatten Kapitellgrund zwischen den Palmetten, doch ändert dies den Gesamtcharakter der Kapitelle nicht.

Ilsenburg

  • Badstübner (1992), S. 130

spricht von einer „Abhängigkeit von harzländischen Reformbauten” und Hoffmann (1950, S.47) von einem Zugeständnis an die mores patriae. Schroder (S.7) nennt Ilsenburg als Vorbild. Schütz/ Müller (S.226) sprechen von einer „Allerweltsform” und verweisen auf Ilsenburg als Anregung.

  • Halberstädter Bischof: Abt Herrand von Ilsenburg
  • Hoffmann (1950, S.56) sagt, daß die auf Ilsenburg und Hamersleben zurückgehenden Kirchen in Niedersachsen anders aufzufassen sind als Hirsauer Bauten und daß durch „bodenständige Umgestaltung” die Idee des Grundrisses verloren geht.
  • Auch ist der von Schmidt vermutete dreiapsidiale Schluß – trotz Ilsenburg – um 1093 noch eine Seltenheit und erst Anfang des 12.Jahrh. bei den Hirsauern verbreitet.

(Ilsenburg war eine kreuzförmige Basilika mit dreiapsidialem Schluß, die zwischen 1078 und 1087 errichtet worden war. Binding/ Untermann S.141)

  • Ebenso wurde in Paulinzella und zunächst auch in Erfurt eine dreiapsidiale Schlußlösung, vermutlich in Anlehnung an Ilsenburg, präferiert. (Eimer, S.11, weist auf Ilsenburg hin und nennt diese Schlußform, S.12, typisch für Mitteldeutschland; S.35/ 38 bezeichnet er diese Schlußform sogar als „Thüringer Typus”
  • Der dreiapsidiale Chor wurde lange vor der ersten Hirsauer Kirche um 1078 in Ilsenburg begonnen, wo Abt Herrand, der spätere Bischof von Halberstadt, seine gorzisch orientierte Reform betrieb.

Binding/ Untermann S.140f.     Schütz/ Müller S.164 u. S.229)

Tabelle der wichtigsten historischen Ereignisse

  1. 10. Jh. In Ilsenburg existiert eine kaiserliche Jagdpfalz, die sogenannte Elysinaburg

997 u. 998            Schenkung des Gebietes mit der Pfalz durch Otto III. an den                                                  Bischofsstuhl zu Halberstadt

1003                      Der Schenkungsbrief Heinrich II.

6.4.1018                Bischof Arnulfs Stiftungsurkunde des Klosters Ilsenburg

um 1060                Herrand wird durch Buko von Halberstadt nach Ilsenburg berufen

1070-1090           Herrand ist Abt in Ilsenburg

1078-1087           Der Neubau der Klosterkirche wird unter Herrand und Buko                                                  durchgeführt

1085                      Das Kloster wird mit Cluniazenser-Mönchen besetzt

1088                      Bischof Burchard II. von Halberstadt wird inmitten des Chores                                             beigesetzt

1100-1105           Ilsenburger Mönche werden verbannt, sie finden ein Asyl in                                                  Harsefeld

1120                      Ein Brand im Kloster zerstört sämtliche Gebäude außer der                                                    Kirche

1129                      Abt Martin verstorben, unter seiner Leitung wurden die                                                          Klostergebäude wieder errichtet

1131                      Die Hospitalkirche St. Marien (spät. Pfarrkirche) wird erbaut

1138-1161           Abt Sigebodo erbaut den Südflügel mit dem Refektorium und die                                         Marienkapelle, dort wird er 1161 beigesetzt

1161-1176           Abt Thioter erbaut den Ostflügel mit dem Kapitelsaal                                                              Einweihung um 1200  Es finden größere Umbauten im Bereich                                           der Klosterkirche statt

1312                      Ein Ablaßbrief soll Geldmittel für den Neubau der beschädigten                                           Klostergebäude erbringen

1452-1454           Die erste Reformation im Kloster wird durchgeführt

1.5.1525                Das Kloster wird im Bauernkrieg zerstört

1572-1581           Christoph Graf zu Stolberg-Wernigerode wirkt als Administrator                                         im Kloster, die letzten größeren Umbauten an der Klosterkirche                                     finden statt

1862                      Der Umbau eines Teiles des Klosters zum Schloß wird von Graf                                           Botho durchgeführt (sog. ,,Bothobau“)

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