Erzbergwerk Rammelsberg

Goslar, Niedersachsen

Archäologische Ausgrabungen in Düna bei Osterode ergaben, dass am Rammelsberg gewonnenes Kupfererz bereits in den ersten Jahrhunderten nach Christus verarbeitet wurde. In knapp 2000 Jahren Bergbau am Rammelsberg entstanden aus den hier gewonnenen Erzen bedeutende kunsthistorische Schätze wie die Bernwardsäule und die Bernwardtür (um 1000) im Hildesheimer Dom, die Teile des UNESCO-Weltkulturerbes Hildesheim sind. Auch die erste freistehende Bronzeplastik nördlich der Alpen, der Löwe auf dem Braunschweiger Burgplatz (1166), ist Zeugnis Rammelsberger Schaffens.

Der Bergbau am Rammelsberg und im Oberharz stellte bereits um das Jahr 1000 die wirtschaftlich wichtigste Triebkraft der Region dar. Der Abbau der Erze unter Tage erforderte die Entwicklung bis dahin unbekannter Techniken. Das Vorantreiben der Stollen, das Festlegen der Tiefe (Täufe) der Schächte oder die Frischluftzufuhr (Wetter) unter Tage waren neue Herausforderungen. Zudem spielte Holz eine wichtige Rolle. Zum Abstützen der Stollen und zum Abbau des Erzes mit Feuer wurden große Mengen Holz benötigt. Durch den Aufschwung am Rammelsberg begünstigt, entwickelten sich rund um den Bergbau neues Handwerk und logistische Strukturen. Aus dem 10. Jahrhundert existieren heute noch archäologisch bedeutende Abraumhalden.

Die ständig durch das Gestein tretenden Grubenwässer erschwerten immer wieder den Abbau der Erze. Bereits im 12. Jahrhundert wurde für die Entwässerung der Rathstiefste Stollen angelegt. Trotzdem reichten die Entwässerungstechniken nicht aus und dem Bergbau drohte ab dem Ende des 13. Jahrhunderts eine Krise. Als 1360, das mit der damaligen Technik abbaubare Kupfererz zur Neige ging und in Goslar die Pest wütete, schien der Bergbau am Ende zu sein.

Ursprünglich in königlicher Leitung, gelangte die Obrigkeit am Rammelsberg um 1400 an die Stadt Goslar. Mit dem Vorantreiben der Grubenentwässerung gelang es, den Bergbau wieder zu beleben. Ein Zeugnis aus dieser Zeit ist das Feuergezäher Gewölbe aus dem 13. Jahrhundert, in dem sich ein Wasserrad zum Heben der Grubenwässer befand, und der Maltermeisterturm, das älteste Tagesgebäude des deutschen Bergbaus aus dem 15. Jahrhundert.

1552 erlangten die Herzöge von Braunschweig-Lüneburg durch den Riechenberger Vertrag die Obrigkeit über den Rammelsberger Bergbau. Dies läutete eine neue Epoche für das Montanwesen am Rammelsberg ein. Gemeinsam mit der Stadt Goslar wurde bereits 1561 der Herzberger Teich für die kontinuierliche Wasserzufuhr der Kunsträder unter Tage gebaut. Ebenfalls im 16. Jahrhundert entstand der Tiefe Julius-Fortunatus-Stollen, über den zusätzlich Grubenwässer abgeleitet wurden.

In den kommenden Jahrhunderten blieb der Rammelsberg im Besitz der Welfen, wobei ab 1643 das Haus Calenberg-Hannover vier und das Haus Wolfenbüttel drei Siebtel der Anteile am Rammelsberg besaßen. Die hannoverschen Rechte gingen 1866 an Preußen, die den Grundstock für den Abbau durch die Preussag nach dem Zweiten Weltkrieg legten.

Zur Verfüllung der ausgeerzten Weiten wurde der im Kommunionsteinbruch abgebaute Sandstein verwendet. Durch die zunehmende Erzförderung nach der Entdeckung des Neuen Lagers im 19. Jahrhundert nahm man 1911 die Schiefermühle in Betrieb. Hier wurden insgesamt ca. 1 Mio. m³ Schiefer zum Verfüllen der Gruben entnommen. Dafür wurde der Schiefer zerkleinert, mit Wasser und Zement (ab 1971) vermengt und mit Druckluft in die Hohlräume geblasen.

Eine große Rolle für die Geschichtsforschung spielen immer wieder Abraumhalden – so auch am Rammelsberg. Zufällig wurden 1999 auf einem solchen Areal oberhalb des Alten Lagers Reste eines Lederschuhs entdeckt, der in das Jahr 1024 datiert werden konnte. Anschließende Grabungen in diesem Gebiet legten eine hölzerne Schachtkonstruktion aus dem 15. Jahrhundert frei. Vermutungen legen nahe, dass es sich hierbei um den bisher ältesten erhaltenen, holzgesicherten Stollen in Mitteleuropa handelt. Weitere Grabungen brachten eine um 1200 hergestellte Grubenlampe aus Ton ans Tageslicht.

Luftbild von Westen auf das ehemalige Bergwerk mit Erzaufbereitunganlage, Werksstraße, Werkshof, Rammelsberg-Schacht, Kommunionsteinbruch (Kahleberger Sandstein), Mundloch Roeder-Stollen, Herzberger Teich, Altem Verwaltungsgebäude, Schiefermühle, Hohe Warte (Maltermeisterturm), Winkler-Wetterschacht und Kommunionsteinbruch (Kahleberger Sandstein).

Abbautechniken

Bis 1818 war das Feuersetzen die Hauptabbaumethode für Erz am Rammelsberg. Hierbei wurde punktuell ein Feuer im Stollen entfacht, welches die Gesteinsschicht etwa 30 cm erhitzte und durch die entstehende Spannung löste. Durch diese Methode war es im Rammelsberg wärmer als in anderen Bergwerken. Das Spektakel des Feuersetzens und die damit verbundene Kombination aus Flammen, Qualm und Hitze inspirierte Goethe für Szenen in seinem Faust II.

Die Arbeit im Bergbau war wie jede andere körperliche Arbeit in den vergangenen Jahrhunderten als Schinderei zu bezeichnen. Dunkelheit, herabbrechende Gesteinsbrocken, Luftmangel, niedrige Strecken, Feuchtigkeit und Lärm waren nur die Haupterschwernisse. Die Bedingungen unter Tage konnten dauerhafte Beeinträchtigungen hervorrufen. Hinzu kamen Unglücke im Stollen, die das Leben der Bergarbeiterfamilien zusätzlich strapazierten.

Beladen mit dem Gewicht ihrer Schlägel und Eisen mussten die Bergleute steile Leitern (Fahrten) in den Berg hinabsteigen. Um Abbautiefen von bis zu 200 Metern zu erreichen, benötigten sie bis zu einer Stunde, für den Aufstieg weit mehr. Angekommen im Stollen konnte die Schicht bis zu 10 Stunden andauern. Pro Schicht verschliss ein Arbeiter bis zu 30 Handbohrer, bei besonders festen Erzen bis zu 100.

Erst im Zuge der Industrialisierung, ab dem 18. Jahrhundert und der damit verbundenen Einführung neuer Techniken war eine merkliche Erleichterung der Arbeitsbedingungen unter Tage spürbar.

Abgebaute Erze

In mindestens zweitausend Jahren Bergbau wurden etwa 27 Millionen Tonnen Erz aus dem Rammelsberg gefördert. Der Erzabbau erfolgte in zwei Lagern: dem Alten und dem Neuen. Wobei diese Bezeichnung keine geologische Zeiteinstufung darstellt, sondern auf die Abbaugeschichte zurückgeht. Die ersten Erzvorkommen wurden im Alten Lager direkt an der Erdoberfläche gefunden und im Tagebau abgebaut. Erst im 10. Jahrhundert wurden die ersten Stollen angelegt, um das tiefer im Berg liegende Erz zu fördern. Vorwiegend wurden Kupfer- und Bleierze sowie Grauerz ausgebracht – in geringen Mengen Silber und ab 1705 auch Gold.

Die Entdeckung des östlich an das Alte Lager anschließenden Neuen Lagers 1859 stellte den Betrieb bis 1988 sicher. Zusätzlich zum Kupfer und Blei stellte seit dem frühen 20. Jahrhundert die Ausbringung von Zink eine bedeutende wirtschaftliche Komponente dar.

Neben der Gewinnung von Erzen kam dem Abbau von Vitriolen eine besondere Bedeutung zu. Durch die Hitze des Feuersetzens begünstigt, bildeten sich in Spalten und Klüften wiederverhärtete Metallsalze (Vitriole), die zur Verfestigung des Gesteins führten. Die Vitriole (lat. vitrus: glasähnlich) dienten als Farbstoff, Schädlingsbekämpfungsmittel, Gerbstoff, Medikament und Tinte. Vitriole überziehen heute noch große Teile des Roeder-Stollens. An einigen Stellen sind hier auch Gipskristalle von wenigen Millimeter Größe zu finden.

Roeder-Stollen

Der Roeder-Stollen geht auf den Oberbergmeister Johann Christoph Roeder zurück. Der Stollen diente der Erzförderung und Wasserhaltung. Wie seit Jahrhunderten wurde dabei auf Wasserkraft gesetzt. Hierfür wurde bereits 1768/69 der Staudamm am Herzberger Teich um etwa 3,90 m erhöht. Durch das Mundloch des Roeder-Stollens (Abb. S. 78/79) konnten die benötigten Wassermengen eingeleitet werden, um im Innern des Berges vier hölzerne Wasserräder zu betreiben. Die Tonnen schweren Räder mussten von den Bergleuten in Einzelteilen durch bis zu 1,50 m niedrige Strecken an ihren Bestimmungsort gebracht werden.

Die ersten beiden Wasserräder (Kanekuhler Kehrrad und Serenissimorum Kehrrad) bestehen aus zwei gegenläufig angeordneten Schaufelkränzen. Hierdurch konnte die Laufrichtung der beiden Räder gesteuert werden. 17 m über dem zweiten Kehrrad befindet sich ein Seilkorb nebst teilweise erhaltener Seil- und Gestängestrecke. Das Serenissimorum und das Kanekuhler Kehrrad dienten zur Auf- und Abförderung der Erztonnen. Mit Ihren 7,60 m bzw. 8,60 m Durchmesser sind die beiden Räder wahre Riesen unter Tage. Die zwei folgenden Wasserräder (Unteres und Oberes Kunstrad) besitzen nur einen einfachen Schaufelkranz. Sie dienten ausschließlich der Hebung des in den Stollen auflaufenden Wassers.

Nahe des Unteren Kunstrades befindet sich der heute tiefste zu erreichende Punkt des untertägigen Systems – der aus dem 12. Jahrhundert stammende Rathstiefste Stollen. Alle tieferen Bereiche sind nach der Stilllegung des Bergbaus am Rammelsberg 1988 abgesoffen.

Erzaufbereitungsanlage

Nach der Entdeckung des Neuen Lagers 1859 konnte die Förderung von Erzen am Rammelsberg auf ein bis dahin unerreichtes Niveau gesteigert werden. In den folgenden knapp 130 Jahren wurde mehr Erz abgebaut als in den gesamten Jahrhunderten zuvor.

In den 1930er Jahren erklärten die Nationalsozialisten den Rammelsberg mit seinen Metallerzen als kriegswichtig. Zwischen 1936 und 1939 wurde unter der Planung von Fritz Schupp und Martin Kremmer der gesamte übertägige Bereich mit der Erzaufbereitungsanlage neu konzipiert. Von den beiden Architekten stammt auch der Entwurf der Zeche Zollverein in Essen, die seit 2001 ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

Von der Werksstraße aus erstreckt sich treppenförmig über mehrere Etagen den Hang hinauf bis zum Rammelsberg-Schacht die imposante Erzaufbereitungsanlage. Die teilweise mit Holz verkleideten Fassaden nehmen, ebenso wie die überall an der Tagesanlage befindlichen Sprossenfenster, Bezug auf die regionale Architektursprache.
Angeliefert am Rammelsberg-Schacht wurde bei der Aufbereitung der Erzbrocken überwiegend das natürliche Gefälle des Berges genutzt. In mehreren Stufen wurden die Erzbrocken zerkleinert und unter Zugabe von Wasser gemahlen, um eine Trübe zu erzeugen. Das Anreichern der Minerale erfolgte anschließend durch die Flotation (Behandlung der Trübe mit Reagenzien). Die dadurch erzeugten Konzentrate wurden zum Metallschmelzen in die Hütten nach Goslar-Oker transportiert.

Am 30. Juni 1988 gingen fast zweitausend Jahre Bergbau am Rammelsberg zu Ende. In einem sehr emotionalen Festakt begleiteten die Bergleute den letzten Förderwagen durch die Goslarer Innenstadt. Die Straßen waren gesäumt von Menschenmassen, deren Leben eng mit dem Bergbau am Rammelsberg verbunden war. Jedem mit Goslar verbundenen Menschen war in diesem Moment bewusst, dass, wie jede Veränderung am Rammelsberg, auch dieses Ereignis schwerwiegende Folgen für die Stadt haben wird. Nach dem Wegfall des wichtigsten Arbeitgebers der Stadt 1988 und dem Abzug der Bundeswehr nach dem Fall der Mauer 1989, erlebte Goslar eine Abwanderung wie noch nie in seiner Geschichte.

Ausstellungen und Führungen

Das ehemalige Bergwerk am Rammelsberg ist der älteste und bedeutendste deutsche Bergbaubetrieb. Auf insgesamt 22.000 m² in vier Gebäuden der Übertageanlage und einer großen Zahl erhaltener baulicher Anlagen wird die Geschichte des Bergbaus und seiner Kultur beeindruckend dargestellt. Damit gehören die Ausstellunghäuser am Rammelsberg zu den größten Museen Deutschlands.

Bereits beim Betreten der Lohnhalle, in der sich die Information und der Museumsladen befinden, wird der Besucher mit dem Bergmannsgruß Glückauf! empfangen. Im Magazin, auf der anderen Seite des Werkshofs werden zweitausend Jahre Bergbau am Rammelsberg in all seinen technischen, wirtschaftlichen und sozialen Facetten lebendig. In der ehemaligen Erzaufbereitungsanlage ist noch der größte Teil der riesigen Maschinen erhalten geblieben. Einer umfangreichen Lagerstätten- und Mineraliensammlung wurde hier im unteren Bereich Raum gegeben. Ebenfalls ist das technische Inventar in der ehemaligen Kraftzentrale erhalten. Einen besonderen Kontrast zur originalen Ausstattung stellen die zu besichtigenden Kunstwerke dar. Hervorzuheben ist der von Jean-Claude verhüllte letzte Förderwagen von 1988.
Neben den frei zu besichtigenden Ausstellungen werden mehrmals täglich Führungen angeboten. Die Besucher können dabei zu Fuß den Roeder-Stollen befahren, mit der Grubenbahn über die Tagesförderstrecke einfahren oder die gesamte Aufbereitungsanlage besichtigen. Nach Anmeldung sind außerdem die Besichtigung des mittelalterlichen Rathstiefsten Stollens, der Bergbauspuren rund um den Rammelsberg oder eine geführte Wanderung von Goslar zum Bergwerk möglich. Speziell für Kinder gibt es ein museumspädagogisches Programm mit Themen-Führungen.

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