Allianz Arena
München, Bayern
Man nehme ein neutrales Gefäß, gleich einer flachen Vase, die durch ihre homogene Form und Oberfläche weder Aufschluss über Größe noch Bestimmung gibt. Wird das Gefäß gefüllt, nimmt es die Farbe seines Inhalts an. Fügt man immer mehr des gleichen Inhalts hinzu, entwickelt das Innere eine Energie und das Äußere beginnt zu strahlen. Angezogen von der Leuchtkraft nähern sich die Massen. Über einen seichten Hügel bewegen sie sich auf das Gefäß zu. Verschlungene Wege lassen die Menschen Auseinanderdriften und führen sie wieder zusammen, bis ihr Ziel vor ihnen steht. Die Menge umrundet den Körper und umarmt ihn huldvoll. Die Bildersprache der Architektur ist vielfältig, um die Allianz Arena zu beschreiben. Doch sind es gerade diese Bilder, die dem Architekten dabei helfen, ein starkes Grundkonzept für seine Bauten zu schaffen – je klarer die Bilder, desto klarer der Entwurf. Die Reduzierung auf einfache Formen, auf Dinge, die jeder kennt, macht die Allegorien zu Leitbildern, an denen sich alles orientiert.
Den schweizer Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron ist mit der Allianz Arena ein Bau gelungen, der weltweit Beachtung und Anerkennung findet. Sie schufen ein Stadion für zwei Fußballvereine, mit dem sich beide Clubs identifizieren können. Dabei interpretierten die Architekten die Formensprache neu, ohne die funktionalen Anforderungen an ein modernes Stadion zu vernachlässigen. Das Ergebnis ist keine Vase mehr, sondern ein „Hexenkessel“, der mit seinem leuchtenden Äußeren weit über die bayerischen Grenzen hinweg wahrgenommen wird.
Bereits zu ihrer Eröffnung war die Allianz Arena neben den Türmen der Frauenkirche und dem Zeltdach des Olympiageländes ein neues Wahrzeichen Münchens. Heute ist das Stadion die meistbesuchte Sehenswürdigkeit der Landeshauptstadt. Besonders am Abend, wenn die Fassade leuchtet, ist jedem auf den ersten Blick bewusst, dass in München der Fußball heller strahlt als an allen anderen Orten in Deutschland.
Zentralperspektive in den Zuschauerraum und das Spielfeld
Architektur-Wettbewerb
Bereits 1997 entstand bei den Verantwortlichen und den Fans des FC Bayern der Wunsch nach einem neuen Stadion. Längst genügten die Gegebenheiten im halb überdachten Olympiastadion mit seinem Charakter einer Leichtathletik-Arena nicht mehr den Anforderungen an ein modernes Stadion. Als zwei Jahre später die Austragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 an Deutschland vergeben wurde, konkretisierten sich die Planungen.
Der Vorstellung des FC Bayern von einem klassischen Fußballstadion, wie in England oder Spanien, stand die Hoffnung der Stadt München gegenüber, das Olympiastadion auszubauen. Die größten Bedenken der Stadt hinsichtlich eines Neubaus lagen in der zu erwartenden Konkurrenzsituation zum Olympiapark. Hinzu käme der Verlust der Mieteinnahmen durch den FC Bayern. Nach ersten Überplanungen des Olympiastadions zeichnete sich jedoch ab, dass die gewünschten Anforderungen einen zu großen Eingriff in die denkmalgeschützte Architektur nach sich ziehen würden. So fiel im Jahr 2000 eine Grundsatzentscheidung für einen Neubau.
Um die befürchtete Konkurrenzsituation zum Olympiastadion auszuschließen, machte die Stadt eine exklusive Fußballnutzung zur Bedingung. Zusätzlich sollten die beiden Münchener Vereine, der FC Bayern und der TSV 1860, das neue Stadion gemeinsam errichten. Damit bestand eine der größten Herausforderungen des bevorstehenden Architekturwettbewerbs in der Schaffung eines Identifikationspunktes für zwei Vereine.
Laut Fußballweltverband FIFA müssen alle Stadien, die Austragungsstätte einer Weltmeisterschaft werden, mindestens ein Jahr vor dem Eröffnungsspiel in Betrieb sein. Da die Stadt München Spielstätte der WM werden sollte, begann trotz fehlenden Baugebiets, ein Vorwettbewerb, der sich auf den reinen Stadionbaukörper beschränkte. Parallel zur europaweit ausgeschriebenen Prä-Qualifizierung, an der 24 Architekturbüros teilnahmen, begann die Suche nach einem geeigneten Areal. Hierbei erwies sich Fröttmaning gegenüber Freiham, dem Olympiagelände Süd, dem Hochschulsportgelände und dem Gelände nördlich der Messe in Riem als tragfähigster Standort für den Stadionneubau. Nach der Hauptrunde des Wettbewerbs, bestehend aus noch acht Bietergemeinschaften (Architekten, Baufirmen und Fachingenieuren) zogen die Architekturbüros von Gerkan, Marg und Partner und Herzog & de Meuron in die Finalrunde ein. Die Entwürfe der beiden Bewerber unterschieden sich grundsätzlich.
Die Vision von Gerkan, Marg und Partner manifestierte sich in einer 36-zackigen Dornenkrone mit nach außen auskragenden Polygonen und einem zum Spielfeld hin abgehängtem Dach – ein Entwurf bei dem die Konstruktion in allen Teilen sichtbar war. Demgegenüber stand der Entwurf des Wettbewerbsgewinners von Herzog & de Meuron, mit der Idee eines homogenen Baukörpers, der jegliche bautechnischen Elemente unter einer Kunststoffhülle verbarg. Der Zuschlag für diesen Entwurf lag auch in seinem Leitgedanken begründet: einem neutralen Gefäß, das je nach Inhalt die Farbe wechselt und sie nach Außen abgibt sowie die Ausformung der Stadionschüssel als „Hexenkessel“. Am meisten überzeugte jedoch die innovative, beleuchtete Fassade. Je nachdem, welcher Verein spielen würde, erstrahlt das Stadion und das gesamte Umfeld in Rot (FC Bayern) oder Blau (TSV 1860). In zukunftsweisender Form entstand ein Identifikationspunkt für zwei Vereine.
Herzog & de Meuron
Die Schweizer Jacques Herzog und Pierre de Meuron, beide Jahrgang 1950, gehören zu den bekanntesten Architekten der Gegenwart. Ihre Werke bestechen durch eine aussagestarke, moderne Formensprache mit lokalen, traditionellen Elementen. Schon beim Herannahen entfalten die Bauten die verführerische Anziehungskraft von Architektur. Für die zeitgenössische Schweizer Baukunst gilt das Büro Herzog & de Meuron, mit Hauptsitz in Basel, als eine der bedeutenden Inspirationsquellen.
Immer mehr nimmt das Bildhafte bei modernen Bauten zu. Die Architektur von Herzog & de Meuron steht dafür exemplarisch ohne sich darauf reduzieren zu lassen. Die Auseinandersetzung mit dem Ort und das stete Ausloten architektonischer Möglichkeiten spiegeln sich in der Verbindung von Konstruktion und Gestaltung wider. So ist der von Herzog & de Meuron entworfene Bau des „Zentralen Stellwerks“ in Basel als das zu erkennen, was er ursprünglich ist, ein riesiger Trafo aus Metall. Die Hamburger Philharmonie ist ein weiteres Beispiel für bildhafte moderne Architektur von Herzog & de Meuron. Mit ihrem wellenförmigen Dach drückt sie die Nähe zum Wasser und zur Seefahrt aus. Ikonografische Elemente lassen sich hingegen im Rautenmuster der Münchner Allianz Arena, als Anspielung auf die bayrische Fahne, erkennen. Wobei die Rauten des bayrischen Wappens in eine Richtung laufen.
Bereits der erste Stadionbau von Herzog & de Meuron, der St. Jakob-Park in Basel, lässt entfernt Elemente der Allianz Arena erkennen. Eine kissenartige Fassade aus Lichtkuppeln hüllt hier den Baukörper ein, ähnlich wie in München. Doch musste auf Grund des Standortes in einem bereits bebauten Umfeld, auf eine dauerhafte Beleuchtung verzichtet werden. Lediglich bei einem Torerfolg des FC Basel erstrahlt das Stadion rot und lässt alle Anwohner am Erfolg teilhaben.
Bauten (Auswahl):
Tate Gallery of Modern Art, London
Nationalstadion, Peking
Prada Aoyama Epicenter, Tokio
Kunsthalle in den Fünf Höfen, München
Verkehrsanbindung
Großbauten mit einer hohen Anzahl zu erwartender Besucher bedürfen hinsichtlich der infrastrukturellen Einbindung in das Umfeld einer besonderen Aufmerksamkeit. Speziell bei Stadien, bei denen sich der Ansturm auf die Spieltage konzentriert und nicht gleichmäßig über einen längeren Zeitraum verteilt, stellt die zügige Zu- und Abwegung aller Besucher eine große Herausforderung dar. Des Weiteren muss in der konzeptionellen Gesamtplanung des Areals berücksichtigt werden, auf welchen Verkehrswegen der Besucher zum Stadion kommt – ob mit dem Auto, dem Bus oder der U-Bahn.
Bei der Wahl des Standorts für das neue Stadion spielte die verkehrsgünstige Lage direkt am Autobahnkreuz München Nord und die Möglichkeit einer exponierten Inszenierung der Architektur eine entscheidende Rolle. Das eigentlich für ein Gewerbegebiet vorgesehene Grundstück in Fröttmaning bot beste Voraussetzungen für die Anbindung an das bestehende öffentliche Straßen- und Wegenetz sowie die Nähe zu einer U-Bahnlinie.
Die unmittelbar östlich am Bebauungsgrundstück vorbeiführenden Autobahnen A9 und A99 im Norden sind die meistfrequentierten Autobahnen Europas. Die südliche Anbindung des Grundstücks an die A9 erfolgte über die Anschlussstelle Fröttmaning-Süd. Für die ungehinderte An- und Abreise der Besucher aus Richtung Norden und der Stadt erfolgte hierfür ein teilweise sechs- bis achtstreifiger Autobahnausbau. Um der steigenden Lärmbelästigung für die Anwohner entgegen zu wirken, errichtete man entlang der A9 Lärmschutzwände. Nördlich des Planungsgebiets erhielt die Anschlussstelle Fröttmaning-Nord einen neuen Halbanschluss an die A99. Über diese Abfahrt gelangen die Besucher aus Richtung Westen zur Arena. Die baulichen Tätigkeiten lagen in der Verantwortung der Landeshauptstadt München.
Südlich der Arena liegen unterhalb der Esplanade die Parkflächen für Besucher. Die insgesamt drei öffentlichen Parkhäuser sind von Osten aus über die Hauptzufahrt zum Stadion zu erreichen. Darüber hinaus bieten südlich an das Areal anschließende Parkhäuser weitere Stellflächen. Außerhalb von Spieltagen ist der nördlich an das Stadion angrenzende Parkplatz der am nächsten zum Eingang gelegene. Hier befinden sich, genauso wie südlich der Esplanade, ausreichend Busparkplätze. Unter dem nördlichen Bereich der Esplanade sowie im Stadion selbst sind die nicht öffentlichen Parkplätze untergebracht.
Die Ausbaumaßnahmen im Bereich der Anbindung des öffentlichen Nahverkehrs konzentrierten sich in größten Teilen auf die Linie 6 der Münchner U-Bahn. Für die reibungslose Anreise aus der etwa 10 km entfernten Münchener Innenstadt erweiterte man den U-Bahnhof Marienplatz. Um das Umsteigen von und zur S-Bahn zu erleichtern, wurden hier zusätzliche Fußgängertunnel entlang der bereits bestehenden Bahnsteigtunnel gebaut. Es erfolgte ein Streckenausbau der Linie 6 zum Stadion. So können die Besucher aus der Münchner Innenstadt das Stadion in ca. 16 Minuten erreichen.
Die größten Baumaßnahmen am Planungsgebiet betrafen den Neubau des U-Bahnhofs Fröttmaning. Eine zusätzliche Fußgängerbrücke am nördlichen Ende des Bahnhofs führt die Besucher über die Bahnanlagen zur Esplanade. Von hier aus ist das Stadion in einem zehnminütigen Fußmarsch zu erreichen. Die zusätzliche Erweiterung der Abstellanlagen im Bahnhofsbereich ermöglicht eine schnelle Bereitstellung von Zügen für die Heimreise der Besucher nach Spielende.
Das gesamte Umfeld des Stadions entspricht den Anforderungen an die Barrierefreiheit. So ist die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln und das Parken mit dem Auto direkt am Stadion für Rollstuhlfahrer möglich. Mittels ausreichend dimensionierter und gering geneigter Rampen gelangen die Besucher barrierefrei zu den Rollstuhlplätzen auf der Haupterschließungsebene.
Esplanade
In seiner ursprünglichen Bedeutung bezeichnet der aus dem Französischen stammende Begriff Esplanade eine eingeebnete, freie Fläche vor den Verteidigungsanlagen einer Festung. Davon abgewandelt beschreibt er in der Neuzeit Plätze oder Promenaden vor großen öffentlichen Gebäuden. Dem historischen Leitbild folgt die Esplanade südlich des Stadions im weitesten Sinne. Hier nähern sich die Besucherströme über eine gestaltete Landschaft dem architektonischen und emotionalen Hauptereignis, der Allianz Arena.
Als Bindeglied zwischen der U-Bahnstation Fröttmaning und dem Stadion bildet die Esplanade den Übergang zwischen Stadt und freier Landschaft. So entspricht ihre Begrünung dem Vegetationsbild der nahe gelegenen Fröttmaninger Heide.
Der architektonische Entwurfsgedanke der Esplanade liegt in der Schaffung eines prozessionsartigen Aufmarschs der Fans zum Zielpunkt ihrer Sehnsüchte. Über geschwungene Wege nutzt die Inszenierung die gesamte Breite des Areals. Einzelne Besuchergruppen verweben hier zu einer großen Einheit, um sich dann wieder zu entflechten. Das erste Mal ist das Prinzip von Verdichtung und Aufweitung spürbar. Von unten stoßen weitere Zuschauer aus den Parkhäusern zu der Menschenmasse hinzu.
Zu Beginn noch ebenerdig, steigt das Niveau der Esplanade langsam an. Noch verdeckt ein seichter Hügel das Stadion. Erst beim Beschreiten der Esplanade offenbart sich die Arena Stück für Stück. Auf dem höchsten Punkt angelangt, bietet sich dem Besucher ein Blick über die Menschenmenge. Zum ersten Mal erfasst er das Stadion in seiner ganzen Wirkung und der Blick auf den Leuchtkörper ist frei. Leicht abfallend geleitet der Weg zum Haupteingangsbereich des Stadions.
Besonders unmittelbar vor und nach den Spielen wird die Energie der Fans durch die dynamische Wegeführung der Esplanade aufgefangen. Ihre weiträumige Gestaltung bietet einen beeindruckenden Blick über den Zug der Besucher.
Die Esplanade bildet das Dach des größten Parkhauses eines Fußballstadions in Europa. Bemerkenswert an dem viergeschossigen Parkhaus ist seine Anpassung der Stockwerke an die geschwungene Form der Esplanade (Abb. S. 79). Demzufolge sind alle Parkebenen mit Gefälle ausgebildet. So steigt das gesamte Gebäude langsam an, um dann wieder abzusinken.
In Spannbetonbauweise errichtet, besteht das Tragsystem des Parkhauses aus Stützen und Spannbetondecken wobei Treppenhauskerne die Aussteifung übernehmen. Unterteilt in vier Brandabschnitte, versorgen insgesamt acht Innenhöfe die einzelnen Geschosse mit Licht und Luft.
Einen reibungslosen Verkehrsfluss während der Spitzenzeiten gewährleistet die Anbindung der Parkebenen an die Hauptzufahrt an der östlichen Längsseite. Zur fußläufigen Orientierung auf der Esplanade markieren beschriftete Lampen mit den jeweiligen Parkhausbezeichnungen die Eingänge zu den Treppenhäusern. Die Leuchten erinnern in ihrer Formgebung an aufsteigende Ballone.
Blick von der Esplanade zum Zugang in die Allianz Arena
Stahlbetonbau
Der eigentliche Stadionbaukörper ist eine Stahlbetonkonstruktion in Skelettbauweise. Größtenteils aus Ortbeton in Kombination mit Teilfertig- und Fertigteilen errichtet, bildet die Konstruktion das statische und funktionale Grundgerüst des Stadions. Es trägt sowohl die Stahlbauteile des Dachs und der Fassade wie auch die Tribünenränge. Diese definieren die Form, die für eine intime und aufregende Atmosphäre gleich eines Hexenkessels sorgt. Um eine ausreichende Versorgung der Baustelle mit Beton zu gewährleisten, wurden im Nordwesten des Baugebiets temporär zwei Mischanlagen errichtet.
Die Dimensionierung des Baukörpers erforderte aus technischen und organisatorischen Gründen eine Unterteilung in acht Bauabschnitte. Auf diese Weise konnten einerseits Zwängungskräfte auf Grund von Temperaturschwankungen weitestgehend vermieden und andererseits der Einsatz von Material, Baustelleneinrichtung und Arbeitskräften optimiert werden. Berücksichtigung musste diese Unterteilung auch bei der Fassadenkonstruktion, bei den Tribünenrängen sowie beim Ausbau finden. Daraus resultierte eine Trennung der einzelnen Bauabschnitte durch Fugen von den Fundamenten bis zum Dach.
Die spätere Fankurve des FC Bayern, die Südtribüne, stellte den ersten Bauabschnitt dar. Etwa zehn Wochen zeitversetzt wurden die Arbeiten ebenenweise in zwei Richtungen fortgesetzt, so dass sich das Rund im Norden schloss. Gleichfalls in acht Bauabschnitten erfolgte die Erstellung des Umlaufs, jedoch erst nach der Fertigstellung des dritten Ranges in Bauabschnitt 1.
Ein Skelettbau, auch Gerippebau genannt, beschreibt die tragende Konstruktion eines Rohbaus, bei dem Stützen die primär tragende Funktion übernehmen. Anders als beim Massivbau, bei dem Wände die tragende Konstruktion übernehmen und Räume definieren, übernehmen die Stützen beim Skelettbau keine raumbildende Funktion. So kann der Innenausbau individueller erfolgen und nachträglich den Bedürfnissen angepasst werden. Anders als beim Massivbau ist die Außenhaut eines Skelettbaus unabhängig vom restlichen Bau.
Für das Einmessen der einzelnen Elemente dienen auf jeder Baustelle über Geodaten eingerichtete Vermessungsfestpunkte. Diese sind während der gesamten Bauzeit fix und ermöglichen Kontrollmessungen während des Arbeitsablaufs. Im Fall der Allianz Arena stellte eine dieser Marken der Vermessungsfestpunkt 7777 dar – der spätere Anstoßpunkt im Mittelkreis des Spielfelds.
Die Gründung des Stadions basiert typisch für einen Skelettbau auf Einzelfundamenten unterschiedlicher Größe. Das vertikal tragende System besteht aus Stützen und Geschossrahmen, die konzentrisch um das Spielfeld angeordnet sind. Dieses System dient als Auflage für die Deckenplatten der Geschosse, welche im Grundriss ovale Scheibenringe mit unterschiedlicher Ringbreite bilden. Die Horizontale Aussteifung des Baukörpers wird über die Treppenhauskerne pro Bauteil erreicht.
Der Nutzungszeitraum von Betonbauwerken liegt heute bei ca. 50 Jahren. Im Wesentlichen hängt das Erreichen dieses Zeitraumes von der Dauerhaftigkeit des Werkstoffs Beton ab. Hierfür ist die korrekte Verarbeitung des Betons ausschlaggebend. Besonders über der eingelegten Stahlbewehrung ist die Dichtigkeit des Betons entscheidend. Nach der Mindestzeit des Aushärtens des Betons wurden die Bauteile, je nach Witterung mit Folien und Wärmematten abgedeckt.
Eine besondere Herausforderung der Stahlbetonarbeiten stellte die Neigung der Stützen an der Fassadenlinie dar. Durch ihre extreme Ausladung war die Ausführung in Ortbeton zeitaufwendig und nahezu unmöglich. Auf Grund der Sichtbarkeit der Tragelemente griff man in Ebene 2 bis 5 auf eine Fertigteillösung zurück. Mittels Rotations- bzw. Schleuderbetonstützen wurde eine extrem glatte und robuste Oberfläche der Betonteile erreicht. Am Kopf- und Fußende wurden die Stützen über einen Stahlringkranz in der jeweiligen Deckenebene miteinander verschraubt.
Dach- und Fassadenkonstruktion
Unter der Fassade der Arena verbergen sich drei Fachwerkkonstruktionen mit unterschiedlichem Tragsystem. Zum einen die Tragkonstruktion des Daches, welche das Primärtragwerk bildet und zum anderen die Dach- und die Wandkonstruktion, die das Sekundärtragwerk darstellen.
Das im Grundriss ellipsenförmige Primärtragwerk kragt mit seinen Stahlfachwerkträgern bis zur Spielfeldbegrenzung in den Stadionraum und bildet hier eine Öffnung. So ist eine komplette Überdachung aller Zuschauerränge gewährleistet. Die radial angeordneten Fachwerkträger lagern am Endpunkt des Oberranges. Von hier aus gehen alle anfallenden Lasten des Dachs in den Stahlbetonbau über. Neben dem Eigengewicht der Fassadenkonstruktion trägt das Primärtragwerk zusätzlich die Lasten der umlaufenden Scheinwerfer, der Videowände, der Wartungsanlagen sowie der unterseitigen Verschattung. So kommt das Stadion ohne störende Stützen im Zuschauerbereich aus. Die parabelförmige Ausbildung der Ober- und Untergurte der Stahlfachwerkträger führt die fließende Form der Fassade im Dach weiter.
Zur Vermeidung von Spannungen infolge von Temperaturschwankungen, unterteilte man das Primärtragwerk, wie auch den Massivbau in acht Dehnfugenabschnitte zu je vier Hauptkragträgern. Erst die Montage des letzten Bauteils eines Bauabschnitts erzielte die nötige Steifigkeit.
Das Sekundärtragwerk überspannt mit seiner Dach- und der vertikalen Wandkonstruktion das gesamte Äußere des Baukörpers. Ring- und Diagonalsprossen bilden hierbei das rautenförmige Sprossenrost des Tragwerks. Zwischen diesem Sprossenwerk sind die Membranen für die Kissenstruktur montiert.
Die Vertikalfassade ist baulich von der Dachkonstruktion getrennt. Analog zur Dachfassade besteht die Kissenebene aus Horizontal- und Diagonalsprossen. Über Einbauteile und kurzen Kragarmen in den Schnittpunkten erfolgen die Anbindung und die Lastabgabe an den Massivbau.
Im Gegensatz zum Primärtragwerk, in dem jeder Bauabschnitt für sich selber tragend ist, werden die Zwischenbauzustände des Sekundärtragwerks im Montagezustand durch Abspannungen stabilisiert. Im Endzustand überdecken die Membrankissen das eigentliche Dachtragwerk und bilden eine Einheit mit der Fassade.
Luftkissen
Das entscheidende Entwurfselement des Stadions ist der nach Außen einheitlich wirkende Baukörper mit seiner leuchtenden Fassade. Als ideal für die Realisierung der Außenhaut erwies sich die Verwendung von ETFE-Folie (Ethylen-Tetrafluorethylen). Sie ist ein Werkstoff der sowohl konstruktive Stabilität wie auch Transparenz und Leichtigkeit aufweist. So umspannt das Material das gesamte Stadion im Fassaden- sowie Dachbereich. Die insgesamt eingeschlossene Fläche macht somit die Hülle der Allianz Arena zur weltweit größten Membranhülle. Das rautenförmig-konkave Muster der Kissen entstand um architektonischen Anforderungen gerecht zu werden.
Befestigt sind die pneumatisch vorgespannten Kissen auf den Fachwerkträgern der Sekundärkonstruktion. Ihre Montage begann an den spitzen Ecken, um sie dann auf die stumpfen Ecken zu spannen und zu befestigen. Bis zu 40 Elemente konnten auf diese Weise pro Tag angebracht werden. Insgesamt nahm die Montage aller Luftkissen am Stadion einen Zeitraum von elf Monaten in Anspruch. Im Dachbereich montierten Industriekletterer auf begehbaren Doppelnetzen die Kissen. Im Fassadenbereich nutzte man für die Befestigung Hebebühnen.
Insgesamt zwölf Gebläseeinheiten sorgen mit konstanter Druckluft für die dauerhaft konkave Form und Stabilität der Kissen. Zur Vermeidung von Feuchtigkeitsablagerung innerhalb der Kissen wird die Luft vorgetrocknet. Um die gewünschte Form der Kissen in Abhängigkeit von Wind- und Schneelasten zu gewährleisten, erfolgt die Druckanpassung automatisch. So halten die Kissen einer Schneehöhe von bis zu 1,60 Meter stand. Sollte dennoch ein Gebläse ausfallen und sich in den entstandenen Mulden Wasser ansammeln, fließt dies über ein Ventil an der tiefsten Stelle ab. Auf diese Weise kann eine Überlastung des Tragsystems vermieden werden. Die Membrane sind nicht begehbar und reinigen sich durch Regen selbst.
Um ein halbtransparentes Erscheinungsbild aus fußläufiger Perspektive zu erzeugen, weisen die Kissen im unteren Fassadenbereich eine weiße Punktbedruckung (S. 131) auf, die vertikal eine verlaufende Intensität hat. In der Dachfläche bestehen alle Kissen aus weißer ETFE-Folie. Zusätzlich sind 19 Rauten als Hubelemente ausgebildet, die zur Belüftung nach oben fahren.
Von besonderer Bedeutung bei so großen öffentlichen Bauten ist der Brandschutz. Für die Einhaltung der geltenden Vorschriften wurde die Folie immer wieder mechanischen und thermischen Belastungen ausgesetzt. Berücksichtigung fanden hierbei u.a. fehlgeleitete pyrotechnische Erzeugnisse aber auch Witterungseinflüsse wie Hagel und Gewitter. Ein direkter Zugriff der Besucher auf die Kissen ist nicht möglich, da sich der untere Abschluss über E2 in vier Meter Höhe befindet. Baustellenschweißungen oder selbstklebende Reparaturfolie ermöglichen kleinere Reparaturen vor Ort. Bei Brandtests mit größeren thermischen, dauerhaften Einflüssen erwies sich die Folie als nicht brennend, nicht abtropfend, lokal aufschmelzend und dadurch den Rauch- und Wärmeabzug unterstützend. Insgesamt erhielt das Brandschutzkonzept der Allianz Arena im Jahr 2003 den Deutschen Brandschutzpreis. Er gilt als wichtigste Auszeichnung für baulichen Brandschutz in Deutschland.
Unterer Rand der Luftkissen-Fassade in der Zugangsebene
Beleuchtung
Wie ein Zeichen wirkt das Stadion bei abendlicher Beleuchtung. Es scheint, als würde die hell strahlende Membran die Energie des Spiels und der Fans nach außen tragen und dort als Leuchtkörper die Umgebung am Ereignis teilhaben lassen. Das Spiel mit den Farben ist ein wichtiger Bestandteil der Identifikation der Vereine mit dem Stadion. Je nachdem welcher Verein spielt, erstrahlt die Fassade in Rot für den FC Bayern München, in Blau für den TSV 1860 München oder in Weiß für Spiele der Deutschen Nationalmannschaft.
Für die volle Illuminierung beleuchten die unteren 11 Fassadenringe (á 96 Kissen) das Stadion. Das entspricht einer Gesamtfläche von ca. 25.500 m². Neben einer einheitlichen Beleuchtung können auch Farbverläufe dargestellt werden.
Ursprünglich realisierten Leuchtstofflampen die Beleuchtung der Fassade mit drei davor befindlichen Filtern (Weiß, Rot, Blau). Seit Anfang 2015 illuminieren die Fassade 380.000 LEDs, welche eine theoretische Erweiterung des Farbspektrums auf 16 Millionen Farben ermöglicht.
Die farbige Lichtwirkung ist sowohl von außen als auch teilweise von innen, z.B. im Business Club, sichtbar. Konstruktiv sind die Leuchten so an den Stahlträgern angebracht, dass diese von innen kaum wahrgenommen werden. Das Gehäuse der Beleuchtung integriert sich harmonisch in die gleichfarbige Stahlkonstruktion. Von außen gesehen verdeckt eine zum Rand hin dichter werdende Punktbedruckung der Kissen in den unteren Reihen die Durchsicht auf die Leuchten und streut das Licht.
Zum Schutz vor Blendung der vorbeifahrenden Fahrzeuge wurde die Leuchtdichte der Membran begrenzt. Dynamische Farbübergänge sind aus Sicherheitsgründen (Autobahn) nur in beschränktem Umfang möglich.
Schriftzug „Allianz Arena“
Am 8. Februar 2002 erwarb die Allianz AG die Namensrechte am Stadionneubau. Damit trug das Unternehmen, das seit 1949 seinen Hauptsitz in München hat, zur Finanzierung des Stadions bei. Die Weltmarke setzte mit der Partnerschaft ein Zeichen für ihre tiefe Verwurzelung in der Region und ihre Verbundenheit zum Sport.
Die Schriftzüge „Allianz Arena“ sind jeweils auf der Nord- und Südseite an exponierter Stelle angebracht. Separat dimmbar können die Buchstaben im Zusammenspiel mit der Fassade Weiß oder Blau leuchten. Gegenüber herkömmlicher Leuchtmittel senkte die Verwendung von LEDs den Energiebedarf maßgeblich. Im Sommer 2015 erfuhren die Schriftzüge eine Erneuerung.
Da die Allianz kein Werbepartner der FIFA ist, wurde für die Dauer der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland der Schriftzug „Allianz Arena“ entfernt. In dieser Zeit trug das Stadion den offiziellen Namen „FIFA WM-Stadion München“. Der Schriftzug fand vorübergehend seinen Platz auf dem Haus der Kunst in München.
Besonnung und Verschattung
Zum Standard moderner Stadien gehört die komplette Überdachung der Ränge als Schutz der Zuschauer vor Witterungseinflüssen. Der Hauptnachteil dabei ist die ungenügende Belichtung des Rasens mit natürlichem Sonnenlicht. Deshalb erfolgte die Ausführung der Luftkissen im südlichen Dachbereich mit transparenter Folie, die nur einen Lichtverlust von 5% aufweist. Zudem erreichte man durch eine Drehung des Stadions nach Osten eine optimale Sonneneinstrahlung. Als zusätzliche Versorgung des Rasens mit Licht wird, wie in anderen Stadien auch, ein Rasensolarium eingesetzt.
Eine eingezogen Unterdecke sorgt für die räumliche Fassung des Stadioninnenraumes nach oben. Sie verdeckt die Stahlkonstruktion des Dachs und belässt die Aufmerksamkeit der Besucher auf dem Spielfeld. Zusätzlich unterstützt die Unterdecke die Akustik im Stadion und verstärkt damit den „Hexenkessel“-Effekt.

















